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: Als Coppola die achtziger Jahre erfand

Francis Ford Coppola: „One from the Heart“, mit Frederic Forrest, Teri Garr u. a., USA 1982, 107 Min., ab ca. 10 Euro im Handel

Für die Achtziger hätte gelten müssen: „One from the Heart“ sehen und sterben

Francis Ford Coppola hatte Triumphe gefeiert, mit den „Paten“-Filmen, viel unwahrscheinlicher noch: mit seinem megalomanen Projekt „Apocalypse Now“. Unter den New-Hollywood-Stars Steven Spielberg, George Lucas oder Martin Scorsese, die sich als Außenseiter verstanden, mit ihren Erfolgen dann aber die Filmindustrie revolutionierten, war er Anfang der achtziger Jahre der größte. Es stieg ihm zu Kopf. Er machte mit seiner Produktionsfirma Zoetrope, die er einst mit George Lucas gegründet hatte, Pläne für ein veritables Anti-Hollywood-Studio und setzte sie tatsächlich um.

Nach „Apocalypse Now“ sollte „One from the Heart“ zunächst ein bescheidener Film werden, mit einem Zwei-Millionen-Dollar-Budget. Ein Musical mit sehr schlichtem Plot über eine zerrüttete Ehe. Der Mann, Hank (Frederic Forrest), und die Frau, Frannie (Teri Garr), streiten sich am Vorabend des Nationalfeiertags, driften ziellos zunächst durch Las Vegas. Er lernt eine Zirkusartistin (Nastassia Kinski) kennen, sie einen Kellner mit Gesang- und Tanzambitionen (Raúl Juliá). Beide gehen sie für eine Nacht fremd. Sie träumen von der Ferne, sie heißt wie in einem Kinderlied Bora-Bora. Eine spießige kleine Ausbruchsfantasie. Mit von der Partie, mit Minipli, ist auch Harry Dean Stanton als Hanks Buddy Moe.

„One From the Heart“ ist ein Musical, aber in der vom Film erzählten Geschichte wird so gut wie gar nicht gesungen. Ausgiebig knödeln Crystal Gayle und Tom Waits dafür auf der Tonspur. Die eigentliche Schau ist aber die Bildspur. Rot, grün, gelb, lila: Knallig und ausdrücklich künstlich sind von Anfang an die Hintergrundfarben. Learning From Las Vegas hieß für Coppola, die Stadt der Spielcasinos nur mit der quietschbunten Plastikseele zu suchen. Alle Sets ließ er im eigenen Studio erbauen. Die Casinos, die Straßen, die Wüste und, Gipfel des Irrsinns, sogar den Airport McCarran. Der Film wurde teurer und teurer, am Ende waren es 25 Millionen. Fast nichts davon spielte „One From the Heart“ wieder ein. An den Schulden hat Coppola noch Jahre geknabbert. Die meisten der wenigen Zuschauer haben damals mit Entgeisterung reagiert.

Man kann es verstehen. Man kann die Meinung vertreten, dass der Film eine Scheußlichkeit auf die andere türmt. Und doch ist er in all seinen Verirrungen wirklich groß. Aufgeblasener hat Tom Waits niemals geklungen. Knalliger waren Innen- und Außendekorationen im Hollywoodfilm selten. Atemberaubend ist die Diskrepanz von inszenatorischem und tricktechnischem Aufwand und Darstellungs- und Dialogqualität. Gespielt wird dezidiert New-Hollywood-improvisatorisch. Darum herum explodieren die Farben, die Settings, die Rahmen der Bilder. Die Kamera macht ihr eigenes Ding. Die Ausstattung tobt sich aus im grandios grässlichen Innen- und Außendesign. Massenszenen auf den künstlichen Straßen der künstlichen Stadt mit ihren künstlichen Farben. Hängen gelassen werden einzig die Schauspieler im Realismusregister der siebziger Jahre.

Für die Achtziger hätte eigentlich gelten müssen: „One From the Heart“ sehen und sterben. Alles, was danach noch kam, war, ohne es zu ahnen, rein epigonal. Wenn man heute Zeitzeugen befragt, kann man den Eindruck gewinnen, die Achtziger mit ihrer unfassbaren Lust am Outrierten hätten sich ohne Zutun und gegen den Willen aller Beteiligten einfach ergeben. Dieser Film ist der Gegenbeweis: Wenigstens einer, Francis Ford Coppola, hat sie von Herzen mit „One From the Heart“ ganz genau so gewollt, wie sie zum Entsetzen der Nachwelt dann waren. EKKEHARD KNÖRER