KONFUS
: Ach je, Frau P.

Frau P. reagierte verwirrt, ich verzieh ihr

„Du bist 34 und lebst zusammen mit einem Wiesel in einem ausgebombten Haus!“, mokierte sich die Frau am Nebentisch über ihren Begleiter. „Ich bin 27, Otis ist ein Leguan, und meine Wohnung ist ein Loft mit Stilelementen des ursprünglichen Altbaus!“, konterte dieser, und wahrscheinlich hatten beide recht. Es gibt eben Menschen, die dasselbe sehen und einem Blinden dennoch zwei vollkommen verschiedene Dinge beschreiben würden.

Und genauso geschieht es, dass sich die Sicht auf einen Menschen innerhalb von Sekunden um 180 Grad dreht. So geschehen mit Jana Pallaske. Mein erster visueller Kontakt mit der ehemaligen Sängerin und MTV-Moderatorin war natürlich der Fernseher, ihre leicht konfus wirkende Nachdenklichkeit zog mich in ihren Bann.

Einige Jahre später erwachte ich unfreiwillig vor der Bühne des Berlinova-Festivals, da Frau P. samt Band beschlossen hatte, trotz der Ermangelung an Gästen um 10 Uhr morgens die drei anwesenden Alkoholleichen zu wecken. Ich verfluchte sie also. Vor einem Jahr sah ich sie dann im ZDF über Karma philosophieren und war so begeistert über ihre Ausführungen, dass ich entschied, die gereifte Frau P. wieder gut zu finden.

Dies änderte sich abrupt, als Frau P. beschloss, die Sammlung schlechter Werbespots, in denen Großstadtyuppies mit ihren Versicherungen diskutieren, um ein weiteres Exemplar zu bereichern. So verwirrt in Sachen Pallaske ist es kein Wunder, dass ich neulich beim Thailänder in der Kollwitzstraße annahm, es handele sich um eine mir bekannte Make-up-Künstlerin (welche wirklich Ähnlichkeit mit Frau P. hat), und mich samt meiner Nudelpfanne zu ihr an den Tisch setzen wollte. Frau P. reagierte verwirrt, und ich verzieh ihr sämtliche vermutlich noch folgende Werbespots beim Anblick ihrer Anmut. Nun warte ich auf ihren nächsten Fehltritt.

JURI STERNBURG