Sie küssten und sie nervten ihn

ENTWICKLUNGSROMAN In „Submarine“ von Richard Ayoade wird wieder einmal von einem unverstandenen Jugendlichen erzählt. Doch diesmal ist er komisch und kommt aus Wales

Der auf dem gleichnamigen Roman von Joe Dunthorne basierende Film ist voller exzentrischer Figuren, die ihn oft an der Grenze zur Parodie segeln lassen

VON WILFRIED HIPPEN

Ja, im Kino werden eindeutig zu viele „coming of age stories“ erzählt. In einigen Wochen scheint jeder dritte Film von Fünfzehnjährigen, ihren Pinkeln, Schulproblemen, ersten sexuellen Erfahrungen und den immer ahnungslosen Eltern zu handeln. Salingers Holden Caulfield und Truffauts Antoine Doinel werden immer noch hundertfach und in oft abenteuerlichen Variationen wiedergeboren – gerne in Debütfilmen, sodass der ersten Kuss sozusagen mit der ersten Klappe zusammenfällt. Der ersten Spielfilm des britischen Komikers und Musikvideo-Regisseurs Richard Ayoade ist ein lupenreines Beispiel für all das. So ist „Submarine“ vollgestopft mit stilistischen Zitaten der Nouvelle Vague. Schon die Anfangstitel buchstabieren überdeutlich in den typisch schroffen und bunten Schriftzügen Godard und mehr als einmal lungert der Protagonist Craig Roberts am Strand herum, als würde er auf den berühmten „freeze frame“ am Ende von „Les quatre Cent Coups“ warten. Er schenkt seiner Freundin sogar „Der Fänger im Roggen“, um sie so (wie auch mit den Texten von Friedrich Nietzsche und einem Kinoabend bei Dreyers „Jeanne D’Arc“) auf sein intellektuelles Niveau zu heben.

Der Witz dieses oft sehr witzigen Films besteht darin, dass Craig Roberts sich selber in dieser Ahnenreihe sieht. Einmal malt er sich die Szene, in der wir ihn sehen, als eine Einstellung in einem Film über seine Jugendjahre aus. Eine Kranfahrt von seinem nachdenklichen Gesicht weg wäre da ideal (prompt wird sie geliefert), aber bei seinem Glück würde es wohl nur für einen Independent-Film mit einem billigeren Zoom reichen (der dann natürlich auch kommt). Im Off kommentiert Craig so neben seinem alltäglichen Leiden auch immer den Stil des Films selber mit, und das führt zu sehr komischen Verwerfungen. So malt sich der junge Held in der Form einer melodramatischen Schnittfolge aus, wie all seine Schulkameraden, seine Schule, ja das ganze Land nach seinem Tod um ihn trauern würden.

Dabei ist er natürlich der unscheinbare Außenseiter, der nur deshalb von seinen Schulkameraden kaum geärgert und gehänselt wird, weil sie ihn kaum wahrnehmen. Mit seinem Dufflecoat (der übrigens in der korrekten Übersetzung „Düffelmantel“ genannt wird), der Wischmoppfrisur und dem immer ernsten Blick erinnert er nicht zufällig an Burt Cort in „Harold und Maude“ – auch er ist ein smarter Phlegmatiker, denn die Langweile zum Rebellen macht. Langweilig ist sein Leben im Wales der 80er Jahre allerdings nur für ihn, denn der auf dem gleichnamigen Roman von Joe Dunthorne basierende Film ist voller exzentrischer Figuren, die ihn oft hart an der Grenze zur Parodie segeln lassen. Oliver Tates Vater ist ein depressiver Meeresbiologe, der in der Welt seiner sezierten Fische eher zu Hause ist als im eigenen Wohnzimmer. Kein Wunder, wenn seine Frau eine kurze Affäre mit dem New Age Scharlatan beginnt, der nebenan eingezogen ist und sein Publikum mit aufgeblasenen Vorträge über kosmische Albernheiten in Bann hält. Die „Erwachsenen“ sind groteske Karikaturen, die von den Darstellern (darunter Sally Hawkins als die sehr steife Mutter) mit jener profunden Ernsthaftigkeit dargestellt werden, die die größte komische Wirkung erzeugt.

Mit der ebenso neurotisch verschrobenen Jordana hat Oliver im Grunde eine ideale Freundin gefunden, und obwohl die beiden Sentimentalitäten verabscheuen, durchleben sie ein paar hoch romantische Momente wie jenen, in dem sie ihm die Haare an seinen Waden abbrennt. Aber Oliver weiß wieder mehr als gut für ihn ist und so glaubt er in ihren Augen genau den Moment erkannt zu haben, in dem sie sich in eine ganz normale rührselige Frau verwandelt. So redet er sich alle Peinlichkeiten schön (natürlich hat sie ihn für einen Angeber an der Schule verlassen), und diese grandiose Attitüde eines bis zum Schluss ahnungslosen Altklugen drückt Craig Roberts voller Trotz und Unschuld aus.