Zwei Arten von Nacktheit

MALEREI Eine Ausstellung des US-Amerikaners Alex Katz kombiniert in Hannover betont desinteressiert daherkommende Aktbilder mit reduzierten Ansichten schmuckloser New Yorker Zweckbauten

Diese Sicht auf den Körper reizt die teilnahmslose Distanz aus bis ins Extrem

Das früheste Bild der aktuellen Ausstellung erinnert noch an den deutschen Expressionisten Otto Müller: Auch Alex Katz’ „Kathy“ aus dem Jahr 1960 zeigt einen figürlichen weiblichen Akt in augenfälliger Naturkulisse, aufgetragen mit bewegtem Pinselstrich. Gleich darauf absolvieren BesucherInnen der hannoverschen Kestner-Gesellschaft sozusagen einen Zeitsprung von fast 30 Jahren.

In denen fand der Maler Katz, 1927 in Brooklyn als Sohn russisch-jüdischer Immigranten geboren und bis heute in New York lebend, zu einer kühlen, irgendwie aber auch naiven Reduktion der Darstellungsweise.

Seine weiteren Akte sind flächig abstrahierend angelegt und strotzen vor Optimismus. Bildhintergrund ist meistens ein monochromes Farbfeld, vor dem die weiblichen Akte dann bewusst isoliert auftreten. Katz geht es also ganz offensichtlich nicht darum, das individuelle Wesen im Sinne eines Portraits zu interpretieren. Ihn interessiert die verallgemeinerte Figur.

Oder, disziplinentheoretisch gesagt: die Übertragung des Dreidimensionalen, Belebten und Fleischlichen in die starre Unkörperlichkeit der flachen Malerei. Zu dieser Verallgemeinerung gesellt sich manchmal auch noch die Wiederholung. Dann setzt Katz beispielsweise vier Ansichten oder Posen desselben Modells nebeneinander. Diese Sicht auf den Körper, dargeboten wie in einer klinischen Versuchanordnung, verweigert sich jeder Emphase, sie reizt die teilnahmslose Distanz aus bis ins Extrem.

Den Aktbildern hat man in Hannover nun New Yorker Stadtansichten zur Seite gestellt. Auch die sind geometrisch reduziert zu frontalen Ansichten. Es sind keine schönen Bauwerke, die Alex Katz interessieren, sondern raue Geschossbauten, die, auf ihre Weise nackt, bloß Funktionen bedienen müssen.

Schöpfen die Akte ihre Inspirationen unverkennbar aus Formen gewerblicher Grafik oder der Fotografie, zeigen sich in den Architekturdarstellungen Parallelen zu Edward Hopper. Allerdings keine formalen Einflüsse, sondern thematische, etwa die latente Tristesse oder die Verlassenheit. Katz setzt seine Bauten in teils dräuende Lichtsituationen, mitunter lassen nur einige wenige beleuchtete Fenster die Kubatur des Gebäudes noch erahnen.

Zwischen beiden Werkgruppen gibt es Gemeinsamkeiten: das starke Fragmentieren in strukturlose flächige Partien, die wie willkürlich gewählten Ausschnitte, die starke Vergrößerungen oder eine der Pop Art entlehnte intensive Farbigkeit. Mitunter muten die Bilder von Alex Katz auch an wie Kaufhauskitsch. Das alles scheint sich radikal von den Vorbildern europäischer Malerei emanzipieren zu wollen, nach neuen Ausdrucksformen und einer eigenen Ästhetik zu suchen.

Katz’ Kunst ist unschwer als US-amerikanische zu identifizieren. Und als eine, deren Auseinandersetzung etwa mit dem – europäischen – Expressionismus eines Otto Müller zu einer Bildauffassung führt, die nicht mehr tiefsinnig ausdeuten will. Sondern das Sichtbare plakativ, ja aggressiv inszenieren.

„Naked Beauty“: bis 5. Februar, Hannover, Kestner-Gesellschaft