Arbeitsverweigerung im Vatikan

PONTIFEX In „Habemus Papam – Ein Papst büxt aus“ spielt Nanni Moretti den Fall durch, dass ein von den Kardinälen gewählter Papst zögert, das Amt auch wirklich anzutreten

VON WILFRIED HIPPEN

Was wäre, wenn ein neu gewählter Papst das Amt einfach nicht annehmen würde? Diese Frage stellt Nanni Moretti in seinem neuen Film, der keine bissige Satire über die Machtpolitik im Vatikan sein will, sondern eine Komödie, in der die hohen Würdenträger der katholischen Kirche eher mit sanftem Spott vom Sockel geholt werden. Dies ist auf den ersten Blick überraschend, denn Nanni Moretti gilt als ein kritischer und politischer Filmemacher, und seine letzte Arbeit „Der Italiener“ war 2006 eine polemische Abrechnung mit Silvio Berlusconi. Ein fundamentalistischer Journalist hat in einem italienischen Bischofsblatt zwar zum Boycott aufgerufen, denn „der Papst ist der Vikar Christi und darf nicht angetastet werden“, aber Radio Vatikan lobt ihn als „sehr human“.

Ein Grund dafür könnte der genaue Blick sein, mit dem Moretti auf den Vatikan und seine Rituale blickt. Er lässt den Film mit Originalaufnahmen von der Beerdigung von Karol Wojtyla beginnen und inszeniert die Wahl den neuen Papstes ohne Bruch in einem streng dokumentarisch wirkenden Stil, der nur in Nuancen komödiantisch überhöht wird, wenn etwa die Kardinäle bei der Auswahl ihres Wunschkandidaten wie Schuljungen auf die Wahlzettel ihrer Nebenmänner spicken und nervös mit den Bleistiften auf den Tischen klopfen. Wenn man sie dabei hört, wie sie zu Gott beten, dass er diesen Kelch an ihnen vorüberziehen lassen möge, wird schon angedeutet, dass dieses Amt für die meisten alles andere als ein ersehnter Karrieresprung ist. Wenn die Entscheidung auf einen französischen Kardinal mit dem Namen Melville fällt, ist dies schon ein literarischer Hinweis auf das Kommende, denn der Titelheld von Herman Melvilles Erzählung „Bartleby der Schreiber“ verweigert seine Beförderung mit dem berühmten Ausspruch: „Ich möchte lieber nicht.“

Der von Selbstzweifeln geplagte gewählte Papst wird von Michel Piccoli als ein komplexer, „sehr humaner“ Charakter gespielt, der sich erst Bedenkzeit dafür ausbittet, ob er die Wahl annimmt, und sich dann heimlich aus dem Vatikan stiehlt. Draußen im alltäglichen Rom lässt Piccoli auf seinem Gesicht das Erstaunen über eine für normale Sterbliche ganz banale Busfahrt aufblitzten. Er trifft eine Gruppe von Schauspielern, die gerade „Die Möwe“ proben. Dies ist eine geschickte Volte von Moretti, denn zum einen wird er durch die Texte an seine Jugend erinnert, in der seine Schwester pausenlos Tschechow rezitierte, sodass er auch heute noch viele Textzeilen auswendig kann. Zum andern sind die Stücke des Russen von einer skeptischen Weisheit, die der Selbstbefragung von Melville mehr Tiefe geben.

Auf einer anderen Ebene inszeniert sich Moretti wie in fast all seinen Filmen wieder selber. Er spielt „den allerbesten Psychoanalytiker“ (wie seine Figur nicht müde wird zu betonen), der ursprünglich in den Vatikan gerufen wird, um den designierten Papst zu kurieren. Doch da bei diesem das Amt bereits nicht vom Menschen zu trennen ist, ist jedes individuelle Gespräch zwischen den beiden unmöglich. So kann der Analytiker den Papst nur im Beisein aller Kardinäle befragen, was sich zwar als sehr komisch, aber wenig hilfreich herausstellt. Da der früh gescheiterte Therapeut nun zu viel weiß und deshalb den Vatikan nicht mehr verlassen darf, bekommt er die Aufgabe, die Kardinäle bei Laune zu halten, denn diese dürfen die Konklave nicht auflösen, solange der neue Papst sein Amt nicht angetreten hat. Moretti hat sich viel Mühe mit der Besetzung dieser hohen kirchlichen Würdenträger gegeben. Mit ihren Gesichtern, die die Macht und das Gewicht ihrer Ämter widerspiegeln, wirken sie sehr authentisch, aber immer auch ein wenig komisch. In der verlängerten Konklave werden sie zunehmend zu Jungs im Ferienlager und man merkt Moretti die diebische Freude an, mit der er sein alter ego ein wenig das Steuer im Vatikan übernehmen lässt, wenn er die Kardinäle streng nach ihrer Medikation befragt und schließlich ein Volleyball-Turnier mit ihnen veranstaltet.

Moretti macht sich hier einen intelligenten Spaß auf Kosten der italienischen Kirche und dabei trifft sein warmer, kenntnisreicher Blick vielleicht tiefer ins Herz der antiquierten Institution als es im Rahmen einer zornigen Polemik möglich gewesen wäre.