DER KÜCHENBODEN
: Die PVC-Hässlette

Ich guckte durch die Ritze und sagte leise: „Fuck you!“

Mein verdammter Küchenboden ist verschimmelt. Von unten, zwischen den Holzplatten und dem PVC-Belag. Das ist mir im Frühling aufgefallen, und da dachte ich noch, solche Sachen macht der Vermieter, aber mein schlauer Fuchs von Vermieter sagt, ich könne ja nicht nachweisen, dass das schon vor mir in der Wohnung war, also ist es vielleicht selbst verschuldet, also muss ich das selber wegmachen. Den ganzen Sommer hab ich den Schimmel ignoriert. Nur ab und zu guckte ich durch die Ritze im PVC und sagte leise: „Fuck you!“ Ich an seiner Stelle wäre davon weggegangen. Er nicht.

Letzte Woche raffte ich mich auf und ging in einen Laden, wo Reste von Bodenbelägen verkauft werden. Meine Mutter hatte mir bei unseren letzten 28 Telefonaten erklärt, welche Krankheiten man von Schimmel kriegt und dass ich mich quasi die ganze Zeit schon an der hauchdünnen Grenze zum Reich der Toten bewegte. Also auf zum Resteladen. Abgesehen davon, dass fast alles, was die verkaufen, sehr hässlich ist, ist es ein super Laden. Donau-, Ecke Fuldastraße. Werkzeug gibt es auch, und der Verkäufer hat mir zu meiner auserwählten PVC-Hässlette noch eine Rolle Doppelklebeband geschenkt. Nur irgendwie hatte ich Skrupel, mit der blöden Rolle in die U-Bahn zu steigen. Ich stellte mir vor, wie der U-Bahn-Fahrer ins Mikro schreit: „Mit dem hässlichen Ding nicht in den ersten Wagen!“ Oder wie ich aus Versehen jemandem mit der Rolle den Kopf abschlug.

Also zwei Stationen laufen. Kein Ding. Rolle auf Schulter und los. An der Neuen Welt versuchte ich, von Aldi einen Einkaufswagen mitzunehmen, aber die Scheißdinger haben eine elektronische Fußfessel und stoppen, sobald man das Gelände verlässt. Menschenverachtend. Ich trug die Rolle nach Hause, jetzt liegt sie hier, gemütlich, ich schätze mal für die nächsten paar Monate.

MARGARETE STOKOWSKI