PORNO, TRASHMENSCHEN UND WOLFGANG JOOP BEI FASHION WEEK UND BREAD AND BUTTER
: Heute ist Ross egal und morgen ist Rico egal

VON TIMO FELDHAUS

Verona Pooth trägt jetzt eine Perücke. Und ähnelt so Hannelore Elsner in der Rolle der Schriftstellerin Gisela Elsner in dem Film „Die Unberührbare“ von Oskar Roehler. Dabei ist sie ja gar nicht der Typ. Niemand konnte erklären, was sich Verona davon versprochen hat, auf dem Kopf wie eine genialische kinderhassende Schriftstellerin auszusehen.

Alles auf der Fashion Week schien so diesig durch den Regen hindurch, man konnte das meiste nur erahnen. Es fühlte sich eher an wie WLAN als Elan, eher wie Design als Dasein, eher Repro als Retro.

Alles begann damit, dass in einem Sexkino auf der Urbanstraße zwei Dandydiary schreibende Online-Autoren der Öffentlichkeit ihren ersten „Fashion Porno“ präsentierten. Dort liefen ein paar Kleinwüchsige herum und geschminkte Transen, große Männer mit schwarzen Masken und kleine Mädchen mit Blogs – Außenseiter der Gesellschaft verklüngelten und vercoolisierten sich gegenseitig. Die äußere Erscheinung des Menschen soll eigentlich immer eine gewisse Leichtigkeit atmen, das Leben ist schwer genug. Gerade während der „Fashion Week“ hält sich daran niemand.

Der Trashmensch tut so, als wäre das Leben supilustig, schmeißt sich in Paillettenjeans-Bling-Bling-Verkleidungen und fährt in Scharen zur „Bread and Butter“ nach Tempelhof. Auf seinem Jutebeutel steht ironisch „I am so next season“. Im Modezelt am Brandenburger Tor regieren die strengen Pantoprinzessinnen mit braunen runden Brillen in eleganter Pantoform und braunen, halblangen Haaren, die gefönt und zu einem strengen Zopf gebunden sind. Ernsthafte Frauen, wie Armani sie sich immer gewünscht hat, sie stehen hier, laufen dort und notieren sich poetische Weisheiten über Rico The Zombie, der am ganzen Gesicht und Körper tätowierte kanadische Trendmensch dieser Modewoche. Zombie sagt über sich: „Ich bin ein Pirat – nur ohne Schiff.“ Er sitzt während der Show der Berliner Designerinnen Perret Schaad in der ersten Reihe, guckt superböse und kaut megagelangweilt viele dicke Walnüsse.

Letzte Saison hatte diese Rolle der spektakulären Antimodel-Sensation der schwarze Albinomensch Shaun Ross inne. Heute ist Ross egal und morgen ist Rico egal, aber einmal angucken ist lustig. Trotzdem meckern die Experten immer: In Berlin sitzt nicht Sofia Coppola in der First Row, sondern Sophia Thomalla, einst „Dancing Star 2010“. Als ich der blonden Schriftstellerin Julia Zange erzähle, dass in der ersten Reihe des dänischen Labels „WoodWood“ die noch viel blondere Ariane Sommer saß, ist sie ganz begeistert.

Sie wollte früher immer so sein wie dieses erste deutsche It-Girl. Ihre ebenso schöne Gesprächspartnerin ergänzt: Ich wollte immer sein wie Jody von „Ein Colt für alle Fälle“, wenn sie im Bikini durch die Salontür schreitet beim Intro.

Am Ende war es gut sich die Welt noch einmal von Wolfgang Joop erklären zu lassen, in seiner grandiosen Villa in Potsdam. Bei Kaffee und Kuchen vor dem Paravent aus dem Schlafzimmer des jungen Friedrich II. schaufelt der Hausherr dem kalbsgroßen Haushund mit Silberlöffel Sahne in die Schnauze und erzählt, dass Grunge die einzig wahre heute noch verwendbare Modeform ist. Während draußen die Sonne untergeht, kommt man nicht umhin, in diesem Mann den einzigen Modeauskenner Deutschlands zu erkennen. Wieder zurück in der Stadt, betrachte ich lange die Widmung, die er mir in sein neues Buch geschrieben hat: „Für Timo, in eternal friendship and sexual relationship!“

Vor meinen inneren Augen blinkt dazu die großformatige Neonskulptur aus Buchstaben, die Michael Michalsky vor seine Style Nite stellen ließ: „am I all that is outside of me“. Dass die Fashion und ich das in diesem Moment so zusammendachten, fanden wir im ersten Moment zauberhaft, im zweiten Moment furchtbar abgedroschen und im dritten erinnerte wir uns bereits in einer Form von Nostalgie daran, wie wir es ersten Moment fanden. Das fanden wir wiederum schön und so gingen wir weiter, gesprächsweise querfeldein marschierend.