Trouble in Paradise

HAWAII In „The Descendants“ von Alexander Payne wird von einem Familienclan der hawaiianischen Aristokratie erzählt. George Clooney bemüht sich oscarwürdig, nicht zu gut auszusehen

VON WILFRIED HIPPEN

Die Familie King sind Nachkömmlinge eines hawaiianischen Adelsgeschlechts, und dessen letztes großes Vermächtnis soll verschachert werden. Davon, ob dieses große Stück unberührtes Land an Investoren verkauft und zu einem Touristenzentrum umgebaut wird, handelt der Film auf einer Ebene, doch die Kunst von Alexander Payne besteht darin, diesen Plot nahtlos mit einer Familiengeschichte zu verbinden. Payne hat schon in „About Schmidt“ und „Sideways“ von Männern erzählt, die große Mühe damit haben, ihrer im Grunde guten inneren Natur zu folgen. Hier spielt George Clooney mit Matt King solch einen Antihelden, und spätestens wenn er mit einem lächerlich wirkenden Watschel-Lauf eine Straße herunter rennt, wird dem Zuschauer klar, wie ungewöhnlich diese Rolle für einen der immer noch attraktivsten Männer Hollywoods ist. Doch er spielt die Rolle so überzeugend, dass man später sogar akzeptiert, dass seine Frau ihn (und eben nicht mehr George Clooney) mit dem von Mattew Lillard gespielten Brian Speer betrogen hat.

Im Hawaii dieses Films scheint nur äußerst selten die Sonne, manchmal regnet es sogar. Und nicht nur dadurch wird hier ein realistischer Gegenentwurf zum vermeintlichen Touristenparadies entworfen. Dieses Image wurde nicht so sehr im Kino entworfen, denn es wurden erstaunlich wenige Hollywoodproduktionen im 50. Bundesstaat gedreht. Nach dem Flop „Pearl Harbour“ muss man da schon bald zurück in die fünfziger Jahre zu „Verdammt in alle Ewigkeit“ gehen. Doch dafür ist Tom Sellecks „Magnum“ fest im kollektiven Bewusstsein verankert.

Hier wird dagegen ein alltägliches Hawaii gezeigt, in dem die Natur meist dem Beton gewichen ist. Umso eindrucksvoller ist dann der Besuch auf dem noch unbebauten riesigen Grundstück der Kings, wodurch die Tragweite von Matts Entscheidung deutlich wird.

Zudem liegt seine Frau Elisabeth nach einem Wassersport-Unfall im Coma, und Matt muss sich neben der Abwicklung des

Landverkaufs und der Organisation der möglichst würdevollen letzten Tage des Lebens seiner Frau auch um seine beiden Töchter kümmern, die er bisher als vielbeschäftigter Anwalt eher vernachlässigt hat. Wie er diese berufliche, familiäre und emotionale Krise bewältigt, und dabei immer mehr aus seinem Trott (oder besser Watscheln) herausgerissen wird, ist so lebensnah, berührend und komisch erzählt, wie es nur selten im Kino gelingt. Da stimmt jeder Satz, jede Geste, jedes Detail. Und Payne gelingt es, alle Darsteller zu außerordentlich intensiven und glaubwürdigen Leistungen zu inspirieren. Besonders Shailene Woodley und Amara Miller sind als Matts Töchter so präsent, dass sie im Laufe des Films immer schöner zu werden scheinen.

In diesem Film gibt es keine kleinen Nebenrollen. Jede Figur ist komplex und präsent, und diese intensive Authentizität gelingt Payne auch, weil er die Charaktere so gut als Hawaiianer verankert. So spielt Beau Bridges etwa einen der Verwandten Matts, der durch den Verkauf reich werden würde. Das Leben in den Tropen hat ihn ein wenig aus den Fugen gehen lassen, aber unter seiner gemütlichen Jovialität ist immer der genau kalkulierende Geschäftsmann spürbar. Bis hin zur letzten Einstellung, in der ein gerade wegen seiner Alltäglichkeit leuchtender Glücksmoment geschaffen wird, ist dies eine meisterlich inszenierte „menschliche Komödie“.