Schlösser rosten, aber sie rosten nicht durch

BRAUCH Sie hängen nicht nur in Rom. Oder in Köln. Auch an der Hamburger Schwanenwikbrücke sind die sogenannten „Amorchetti“ zu sehen – die Liebesschlösser. Die Schlüssel? In der Alster. Eine Betrachtung

Beim Schloss kommt es, anders als bei der Liebe selbst, nicht auf die Ausführung an

Ich hab immer gedacht: Wo sind denn die Fahrräder? Ich seh immer nur die Schlösser von den Fahrrädern. Die am gusseisernen Laternenmast und am Geländer der Schwanenwikbrücke hängen. An dem Geländer zur Alster hin. Dann wurden es so viele, dass selbst ich gemerkt habe, dass die Schlösser nichts mit Fahrrädern zu tun haben, sondern mit – Liebe. Heute – am Valentinstag – werden noch ein paar Schlösser dazukommen.

Ja, Liebe. „Freddy + Marie“, „Stefanie & Stefan“, ein Schloss ohne Namen, nur mit Herz. Das sind „Lucchetti dell’amore“, Liebesschlösser, oder „Amorchetti“, die Schlüssel ertrinken in der Alster. Wie so manches, das mit Liebe zu tun hat, kommt der Brauch aus Italien: Absolventen der Sanitätsakademie San Giorgio in Florenz sollen am Ende ihrer Ausbildung die Vorhängeschlösser ihrer Spinde an der Brückenlaterne auf der Milvischen Brücke, die in Rom über den Tiber führt, gehängt haben.

Und dann hat Federico Moccia ein Buch geschrieben, in dem die Hauptpersonen als Zeichen ihrer Liebe Schlösser an einer Laterne befestigen und sich ewige Liebe schwören: „Per sempre“. Auf Plattdeutsch: „För alltiet“.

Es ist wie mit der Wahrheit, man muss sie immer gleich schwören, weil Wahrheit und Liebe so unsicher sind wie noch was. „Anni & Hartmut“. Und: „Unsere Liebe endet, wenn wir unsere Augen nie wieder öffnen werden“. Was so alles auf ein kleines Schloss passt! „Sternchen & Findus“. Kleine Sternchen aus Strass. Frauen können Liebe so ausdrücken.

Natürlich gibt es inzwischen „Liebesschloss-Hersteller“. Und so gibt es rote und violette und blaue Schlösser und was sonst die Farben der Liebe sind. Kosten im Schnitt 25,40 Euro, die einfachen 19,40 Euro. Beim Schloss kommt es, anders als bei der Liebe selbst, nicht auf die Ausführung an. Manchmal stehen auch nur zwei Zahlen auf dem Schloss: „1999“ und „2011“, die beiden, die es angeht, wissen schon, was das heißt. Und manche Gravuren sind witzig: „Untill the alster fills mit Turtels. 2006.“

Hier: „Hannes + Melanie forever in love“. Man hat so das Gefühl, dass die jungen Menschen bei den großen Gefühlen gerne in Fremdsprachen ausweichen, weil es da nicht ganz so pathetisch klingt. Auch vor einem selbst. Das Pathos hat einen schlechten Ruf. Wir trauen ihm nicht übern Weg.

„Auf das wir immer glücklich sind.“ Wenn die Gefühle wahr sind, kommt’s auf die Rechtschreibung nicht an. Da hängen „Michi & Teddy“, und da: „04. 11. 2010 7 Monate P & F“. Sieben Monate können lang sein, da kann viel passieren. „Meike & Jonas“ haben Eheringe eingravieren lassen.

Die Tage, die angegeben sind, riechen manchmal nach großen Feierlichkeiten: „11. 11. 2006“, „06. 06. 2010“, „08. 10. 10“, „03. 03. 2011“. Kann sein, dass vor oder nach der Trauung der Weg zur Brücke führt.

Es ist und bleibt schwer, fertig zu werden mit dem Wunsch, dass es ewig sei, und der Furcht, dass nicht. Gerade weil man allein wenig Einfluss darauf hat, dass es zusammen klappt, holen wir uns Hilfe, wo wir sie kriegen können. Wenn man ein bisschen älter wird, dann merkt man, dass es doch ewig ist, und man nie ganz von den Frauen wegkommt, die man mal geliebt hat. Man wäre sie gerne los, die Schlösser, die einen mit den Frauen, die nie ganz weg sind, verbinden. Aber man wird sie nicht los. Sie rosten, aber bis sie durchgerostet sind, ist das Leben um. ROR