Warme Suppe
: Minus vierzehn Grad

Ich esse doch nicht Sushi, wenn es eh schon so kalt ist

Seit Gottfried Benn auf meinem Klo hängt, bin ich nach dem Pinkeln immer ein bisschen traurig. Also natürlich hängt da nicht Gottfried Benn persönlich, sondern ein Gedicht von ihm, denn es hängen da auch andere Gedichte, weil mir das so gefällt.

In meiner melancholischen Stimmung setze ich mich an den Computer. Ein eBay-Angebot läuft bald ab. Ich biete auf eine „Pin Up Blazer Kurz-Fell-Weste im Bohemian Diva Glamour Style“, die ist jetzt aber schon bei zehn Euro, und ich würde allerhöchstens fünf zahlen. Na ja, Pech. Und sowieso egal.

Stefan sitzt im Bett und liest ein Buch, das ich rezensieren soll. Ich hab es noch nicht mal angefangen. Er fragt, ob wir nicht endlich mal was essen wollen. Stimmt, essen. Sollten wir machen. Ich sage, wir können nicht kochen, wir haben nichts eingekauft. Egal, sagt er, wir gehen irgendwo hin, ich lade dich ein. „Es sind minus vierzehn Grad“, sage ich, „ich kann da nicht raus.“ Er sagt: „Och komm, wir können Sushi essen oder was beim Green Rice.“ Ich sage, ich esse doch nicht kaltes Sushi, wenn es eh schon so kalt ist, das ist doch krank. Green Rice ist okay. Wir ziehen uns an.

Zum Kotti läuft man ’ne Viertelstunde, das ist genug Zeit zum Erfrieren. Als wir endlich losgehen, habe ich obenrum sieben Schichten an, plus die Jacke, und Mütze und Kapuze und Handschuhe und Strumpfhose und Hose und drei Paar Socken. Stefan hat nicht mal eine Mütze, er mag keine Mützen. Manchmal ist er mir gruselig.

Beim Green Rice ist es schön warm und nicht so voll wie sonst. Die Suppe ist lecker, wie immer, und an der Wand hängt das Bild mit der Frau, von der man die Schamlippen sieht, wie immer. Als wir aufgegessen haben, schaue ich sehnsüchtig zu dem Taxi, das vor der Tür steht. „Du spinnst“, sagt Stefan. Auf dem Nachhauseweg fahren elf leere Taxis an uns vorbei.

MARGARETE STOKOWSKI