Im Westen viel Neues

THEATERFESTIVAL Blick nach Westen: Das Oldenburger Staatstheater zeigt aktuelle Theaterproduktionen aus den Niederlanden und Belgien. Die Probleme der dortigen Szene werden dabei nicht ausgespart

Nicht nur ästhetische Einblicke in die Theaterlandschaft Belgiens und der Niederlande

VON ANDREAS SCHNELL

Die Zukunft suchen Menschen seit Jahrhunderten im Westen. Hoffnungsvoll war schon Friedrich Schillers Blick auf die Niederlande: „Die Niederländer schützen sich durch Dämme gegen ihren Ozean und gegen ihre Fürsten durch Konstitutionen“, formulierte der Dichterfürst in der Schrift „Der Abfall der Niederlande“. Mit Schiller nach Westen blickt auch das Theaterfestival „Go West“, das in diesem Jahr zum dritten Mal in Oldenburg stattfindet – allerdings eher skeptisch als optimistisch. Denn das, was Schiller sich ersehnte, nämlich eine Gesellschaft freier Bürger, ist ins Gerede gekommen. Der Kapitalismus, wie man die freie Marktwirtschaft heute wieder ungestraft nennen darf, hatte lange keine so schlechte Presse. Und seine Krisen erschüttern auch die Staaten, die ihn federführend veranstalten.

Wo die deutsche Theaterwelt bislang neidvoll zu den westlichen Nachbarn hinüberschaute, deren Theaterlandschaft auch für die hiesige Szene inspirierend wirkte, sieht es heute nicht mehr so rosig aus. So sollen ab 2013 in den Niederlanden die Subventionen um 40 Prozent gekürzt werden. „Go West“ bietet deshalb nicht nur ästhetische Einblicke in die Theaterlandschaft Belgiens und der Niederlande, sondern widmet sich in einer Podiumsdiskussion den kulturpolitischen Entwicklungen. Und auch auf der Theaterbühne wird’s politisch: „Der (kommende) Aufstand“, in Oldenburg als Uraufführung zu sehen, spielt auf die berühmte Schrift des „Unsichtbaren Komitees“ an – aber auch auf Schillers „Abfall der Niederlande“.

Die pure Freude am Theater kommt indes auch nicht zu kurz. „Waldlinge“ von Randi de Vlieghe, eine Koproduktion des Staatstheaters mit der Kopergietery in Gent, erzählt fast ohne Worte von einer Naturkatastrophe, mit der sechs Figuren, verkörpert von Tänzern, Schauspielern und Akrobaten, ganz unterschiedlich umgehen. „Szene fügt sich an Szene. Eine ist turbulenter, verrückter und irrwitziger als die nächste“, lobte die Nordwestzeitung.

Faszinierend anders: „Freeze!“ von Nick Steur. Ohne Zement oder anderen Kitt setzt er Steine aufeinander und produziert so nicht nur einzigartige Skulpturen, sondern auch eine geradezu Zen-mäßige Konzentration im Publikum. Einen modernen Blick auf Shakespeares „Macbeth“ gewährt das Theater Zuidpool, das den dEUS-Musiker Mauro Pawlowski beauftragte, Musik für das Stück zu schreiben, die während der Aufführung von Pawlowski und Tijs Delbeke live gespielt wird.

Zehn Produktionen sind insgesamt im Rahmen von „Go West“ zu sehen, von Schauspiel über Figurentheater und Performance bis zum Tanztheater. Und ein Rahmenprogramm sorgt für Kontext: Das Cine K zeigt niederländische Filme, im Edith-Russ-Haus gibt es eine Lecture Performance mit dem jugoslawisch-stämmigen Künstler Bogomir Doringer, abends wird gefeiert, sonntags etwas gesitteter, an den vorigen Abenden dafür umso ausgelassener und mit flämischer Beteiligung: Klaas Tindemans, Dramaturg und Autor, führt am Samstag am DJ-Pult Regie.

■ Oldenburg: Do, 23. 2. bis So, 26. 2, verschiedene Spielorte; Infos und Programm: www.staatstheater.de