WATERHOUSE IM LIDO
: Hallo, wach?

Deutsche Biere machen Mundgeruch, osteuropäische nicht

Wenn die Bürger schlafen geh’n / in der Zipfelmütze / und zu ihrem Herrgott fleh’n / dass er sie beschütze / zieh’n wir festlich angetan / hin zu den Tavernen / Schlendrian Schlendrian / unter den Laternen. Genau. Und darum beginnt Nick Waterhouse sein Konzert am Samstag im Lido so spät, dass man vorher genug Zeit hat, im Lido-Vorzelt herumzustehen und anderen müden Bürgern bei Hallo-wach-Gesprächen zuzuhören.

Der eine macht seinem Kumpel weis, in Mitte gäbe es eine Weinhandlung, die Sommelierkurse anböte, und dort würden die TeilnehmerInnen immer zu Anfang schön genarrt: Man lasse sie zweimal den gleichen Wein testen, behaupte aber, das eine sei ein teurer Châteauneuf-du-Pape mit dreifacher Papstkrone und das andere ein Aldi-Chianti aus der Literpackung. Stell dir vor, kichert der Weinfreund, die Leute glauben tatsächlich, Unterschiede zu schmecken! Der andere kichert auch über den skandalös schlechten Geschmackssinn und schüttet sich sein frisches Bier in den Genießerhals. Das man jetzt eigentlich schnell mit einem abgestandenen Hansapils vertauschen müsste, aber bei Bier sind die Unterschiede nicht so groß, als Faustregel gilt: Deutsche Biere machen Mundgeruch, osteuropäische nicht.

Außerdem hat Waterhouse endlich den Soundcheck fertig, und keine zwei Stunden später fängt er auch schon an mit Oldschool-R’n’B. Was bestimmt schön wäre, wenn man nicht ein bisschen die Dringlichkeit vermissen würde: Der 25-jährige Buddy-Holly-Lookalike schreit ja nicht aus Liebes- und Gesellschaftsqual gegen die prüden 50er an, sondern weil er es cool findet und Retro-Aufnahmegeräte sammelt. Außerdem trägt sein Saxophonist einen Zopf. So etwas kann einem ja den Abend verderben. Bis Pferdeschwänze bei Männern oldschool sind, wird noch sehr viel Wasser die Rhone in Châteauneuf hinunterfließen. JENNI ZYLKA