WODKA TRINKENDE BULGAREN
: Falsche Feier

Ich betrinke mich, aber es hilft nichts

Es ist Samstagabend, ich bin auf dem Weg zu einer Party in der Nähe des Rüdesheimer Platzes. Ein Freund feiert seinen Einstand als Gastprofessor für die Poetik der Übersetzung an der Freien Universität. Am Nollendorfplatz wechsele ich in die U 3 Richtung Krumme Lanke. Da sitzen mir zwei ältere Herren gegenüber, die Wodka trinken. Ihre Gesichter sind sonnengegerbt, faltig, unrasiert, alkoholdurchdrungen, herb, männlich. Ich kenne solche Gesichter aus den Dörfern im ehemaligen Jugoslawien. Die deutschen Gesichter sehen im Vergleich zu diesen Gesichtern blasser und weniger verlebt aus. Ich frage die zwei, wo sie herkommen, und sie antworten: Aus einem kleinen Dorf in der Nähe von Sofia, in Bulgarien. Die zwei sind lustig, bieten mir Wodka an, erzählen, dass sie heute ihr ganzes Geld im Wettbüro verzockt haben, dass sie pleite sind und jetzt nach Hause fahren, mit ein paar Freunden weiterfeiern. Ob ich mitkommen möchte? Ich lehne dankend ab und verabschiede mich von meinen zwei Balkangesichtern.

Die Party bei meinem Freund ist stinklangweilig. Die Gespräche sind blutleer, die Sätze wie auswendig gelernt: Haben Sie den neuen Roman von Christian Kracht gelesen? Finden Sie den Nazi-Vorwurf gerechtfertigt? Schlimm, was da gerade in Syrien passiert, wirklich schlimm! Und dann erst der Iran und Israel? Glauben Sie, dass Israel angreifen wird? Haben Sie den Leitartikel von Frank Schirrmacher über das Versagen der Babyboomer in der FAS gelesen? Also diesmal lag er ja wohl etwas daneben.

Puuuuuh! Ich betrinke mich, aber es hilft nichts. Ich blicke in verkopfte Gesichter ohne einen Anflug von Humor, ohne jede Leidenschaft für das Leben. Nach dem fünften Bier bin ich dann einfach abgehauen und dachte: Verflucht, das nächste Mal bist du spontaner, das nächste Mal feierst du mit den Bulgaren!

ALEM GRABOVAC