Heilige, Hure

SEXISMUS Die Rapperin Sookee nimmt in einem Vortrag im Jugendzentrum „Linse“ stereotype Darstellungen im deutschen HipHop auseinander

Wenn ein sexistischer Rapper in einer Talkshow sitzt, stellt ihm niemand harte Fragen

„Das ist für meine homophoben Homies in Berlin: No Homo! Es ist Sentino von der Flamingo Gang, Geht Deutschland auf die Eier, es wird impotent.“ Dieses Zitat des Rappers Sentino ist nur ein Beispiel von vielen, über das Sookee, eine 28-jährige Rapperin aus Berlin, am Montag im Jugendkulturzentrum „Linse“ spricht. „PornoRap als Indikator für Sexismus und Homophobie in der Gesellschaft“ heißt ihr Vortrag, in dem es ihr darum geht, den Sexismus im HipHop und dessen Implikationen für die Gesellschaft zu skandalisieren.

Nora Hantzsch, so der bürgerliche Name von Sookee, ist seit über zehn Jahren als Rapperin aktiv und hat nebenher Linguistik und Gender Studies studiert. In der letzten Zeit ist sie viel in Deutschland herumgereist, um über Gender-Images im Rap zu referieren.

In ihrem Vortrag erklärt sie vor allem, dass homophobe und frauenfeindliche Strukturen durch die Imagebildung strukturell im Rap verankert sind. Um sich eine Identität als Rapper oder Rapperin herzustellen, orientieren sich die meisten an stereotypen und heteronormativen Geschlechterbildern, so Sookee. Die Szene sei größtenteils sexualisiert: „Penetrieren oder penetriert werden“ laute die binäre Gegenüberstellung.

Sookee spricht viel über die männliche Dominanz innerhalb der Rap-Szene, die für sie einen Ort der Reproduktion von Maskulinismus bedeutet, also der Überzeugung, Männer seien naturbedingt das überlegene Geschlecht. Frauen werden dabei als „Achillesfersen der Männlichkeit“ wahrgenommen. Heraus kommen Lines über „deine Mutter“ (die Heilige) oder „deine Freundin“ (die Hure).

Bemerkenswert ist vor allem, welche Rückschlüsse sich aus der Medienmacht solcher Rapper auf die Akzeptanz von sexistischen und homophoben Aussagen innerhalb der Gesellschaft ziehen lassen. Wenn Bushido der Bambi-Preis verliehen wird oder Uli Edel und Bernd Eichinger dessen Leben verfilmen, wenn Sido durch die Talkshows tingelt und Nena mit Die Atzen singt, werden deren sexistische Realitäten in der Gesellschaft etabliert.

In den Versuchen der Medien, diesen Protagonisten kritisch zu begegnen, sieht Sookee nicht mehr als einen halbgaren Versuch, Sozialverträglichkeit und Zugeständnisse an die Rapper unter einen Hut zu bringen. So geschah das zum Beispiel bei Markus Lanz, der Sido und Bushido im November letzten Jahres in seine Talkshow einlud. Angesprochen auf alte Textzeilen wie „Schwule sollen vergast werden“ wich Bushido aus: „Warum reden wir nicht über etwas Gutes.“ Das genügte Lanz, um nicht weiter nachzubohren.

Spott für Nena

Es gibt viele weitere Beispiele für die öffentliche Akzeptanz von Rappern mit sexistischen Texten. So den selbsternannten „PornoRapper“ Frauenarzt, Mitglied von Die Atzen, der sich in Songs wie „Teilen macht Spaß“ oder „Drecksnutte“ in menschenverachtenden Vergewaltigungsszenarien übte. Jetzt macht er Musik mit Nena („Strobo Pop“) oder Jürgen Drews („Sonnenstudio Marion“). Von seinen früheren Aussagen hat er sich nie distanziert.

Dass die Rapperin sich aber selbst von so manch einem Vorurteil noch nicht freigemacht hat, wird deutlich, wenn sie spöttelnd über Nena festhält, dass „die jetzt ungefähr 60 ist und ihr Erfolg auch schon mehrere Jahrzehnte zurückliegt“. Ein höheres Alter findet also auch Sookee nicht cool. Gerade solche unreflektierten Aussagen können aber als Grund für den Wunsch von älteren Musikern und Musikerinnen vermutet werden, jung wirken zu wollen und Kollaborationen mit Rap-Stars einzugehen, die vor allem bei Jugendlichen beliebt sind.

Gegen Ende ihres Vortrags geht Sookee dann auf Rapper und Rapperinnen ein, die versuchen, homophobe und sexistische Stereotype aufbrechen. Neben deutschen Rappern wie Blumio oder Refpolk lobt sie vor allem die Szene in Großbritannien und zeigt ein Musikvideo der Rapperinnen von Female Takeover. Davon, einen Bambi zu erhalten oder im Mainstream überhaupt nur wahrgenommen zu werden, sind diese Künstler leider noch weit entfernt.

LISA FORSTER