Die Verdrehung der Welt

HANDYALARM Daniel Kehlmanns Roman „Ruhm“ hat Isabel Kleefeld eher illustriert als adaptiert. Da hilft auch das Staraufgebot mit Heino Ferch, Gabriela Maria Schmeide und Senta Berger wenig

VON WILFRIED HIPPEN

Es gibt Filmschnitte, die wehtun. So zum Beispiel jener von der Karikatur einer offiziellen Reiseleiterin in einem Fantasiestaat im Ostblock, die mit grimmiger Mine, bedrohlicher Körperfülle und einem Schnurrbart ein ärgerlich banales Klischee abgibt, direkt zu Senta Berger, deren Schönheit von der Kamera zelebriert wird und die soviel Seele in ihren Auftritt legt, dass sie den Schwerpunkt des Films bildet, obwohl sie kaum etwas zu tun bekommt. Diese beiden Bilder dürften eigentlich nicht im gleichen Film auftauchen und der armen anderen Schauspielerin wird so übel mitgespielt, dass hier zumindest einmal ihr Name Zeljka Preksavec genannt werden soll. Es gibt noch einige andere abrupte Wechsel in „Ruhm“, denn hier wurden sechs der neun Episoden aus Daniel Kehlmanns Bestseller adaptiert, aber die Regisseurin hat für diese ständigen Übergänge kein stilistisch überzeugendes Mittel gefunden. So springt der Film unvermittelt und hektisch zwischen den Erzählungen und dadurch wirkt vieles eher beliebig.

Einen „Roman ohne Hauptfigur“ wollte Kehlmann schreiben und hat sich stattdessen auf ein Hauptrequisit konzentriert: das Handy. In allen Episoden von „Ruhm“ wird davon erzählt, wie die elektronischen Kommunikationsmittel den Umgang der Menschen miteinander verändert haben. So beginnt der Film etwa mit dem von Justus von Dohnány gespielten schüchternen Angestellten Joachim, der stolz sein erstes Handy kauft, aber darauf Anrufe bekommt, die für jemanden anderen bestimmt sind.

Durch einen Nummerntausch wird er Zeuge des aufregenden Lebens dieses Prominenten und wird langsam dazu verführt, immer mehr in dessen Schuhen zu leben. Das Opfer dieser trotz des modernen Auslösers im Grunde klassischen Verwechslungsgeschichte ist der Schauspieler Ralf Tanner, der entsprechend überhaupt keine Anrufe mehr bekommt und dadurch in einen sowohl berufliche wie auch existentielle Krise gerät, an deren Ende er von seinem eigenen Double ersetzt wird. Heino Ferch gibt ihn als eine Art von Westentaschen-Bruce-Willis, glaubt dabei aber auch immer, ironische Signale geben zu müssen, damit nur keiner seine Rolle mit seiner realen Person verwechselt.

Ganz ähnlich ist Kehlmann selber übrigens in seinem Buch mit der Figur des Autoren Leo Richter vorgegangen. Dieser ist ein eitler Kulturpfau und auch im Film der am boshaftesten gezeichnete Charakter. Hier wird die Distanzierung durch Ironie noch dadurch verstärkt, dass Kehlmann selber in einem kurzen Gastauftritt eine geschwollene Laudatio an den fiktiven Kollegen hält. Der Schriftsteller, seine Texte und die Wirkung, die sie auf die Leserschaft haben, verknüpfen die Hälfte der Geschichten miteinander. So wehrt sich Richters Lebensgefährtin Elisabeth, die als Ärztin ohne Grenzen ein abenteuerliches Leben führt, dagegen, dass dieses von Richter weiter in seinen Romanen ausgeschlachtet wird.

Da er lieber einen Preis in Zürich annimmt als durch ein Ostblockland zu reisen, sagt er den Termin dieser organisierten Schriftsteller-Tour ab und schickt als Vertretung die erfolglose Kriminalautorin Maria Rubinstein. Für diese wird es zum Verhängnis, dass sie das Aufladegerät ihres Handys vergisst und so verschwindet sie ohne Kommunikationsmittel irgendwo in der zentralasiatischen Steppe.

Der Kontrast zwischen dieser Burleske und dem intimen Kammerspiel, in dem Senta Berger eine krebskranke Frau spielt, die nach Zürich reist, um sich in die Hände eines Sterbehilfevereins zu begeben, ist, wie gesagt, immens. Gerade diese Episode entpuppt sich aber als eine Geschichte, an der Leo Richter gerade schreibt. Und die fiktive Figur beginnt, sich bei ihrem Autoren darüber zu beschweren, dass er sie sterben lässt. Kinogängern wird diese Prämisse vielleicht bekannt vorkommen, denn eine ganz ähnliche Geschichte wurde (Jahre vor Kehlmanns Buch) schon in dem Hollywoodfilm „Stranger than Fiction“ erzählt.

Doch zumindest wird dieser Erzählstrang im Film konsequent zu Ende geführt. Andere versanden dagegen langsam. Der kleine Handykönig Joachim verschwindet sang- und klanglos in der zweiten Hälfte des Films und von einer Nebenfigur wird einfach nur gesagt, sie sei „schlafen geschickt worden“. Auch hier zeigt sich, dass die Regisseurin Isabelle Kleefeld, die bisher nur für das Fernsehen gearbeitet hat, diesen komplexen Stoff mit seinen vielen Ebenen und Stimmungen nicht in den Griff bekommen hat. Vielleicht hat Daniel Kehlmann ja mit Detlev Buck mehr Glück. Dessen Adaption von „Die Vermessung der Welt“ kommt im Oktober in die Kinos.