Wenn die Nebelschwaden ziehen

HUCH! „Die Frau in Schwarz“ von James Watkins ist ein schön altmodisches Schauerstück, bei dem Daniel Radcliffe in seiner ersten Rolle nach Harry Potter oft erschrocken in die Dunkelheit starren muss

VON WILFRIED HIPPEN

Dieser Film könnte genauso gut auch „Die Mädchen am Fenster“, „Der Junge im Watt“ oder „Der Mann im Spukhaus“ heißen, so dick werden hier die Klischees des Gruselromans wiederverwendet und die Motive aufeinander getürmt.

Edgar Allen Poe und Stephen King hätten (und haben zum Teil auch) aus jedem der vielen Erzähl-Fragmente eine in sich geschlossene Geschichte gemacht, aber wenn heute noch einmal ein altmodischer Gruselfilm wie dieser produziert wird, dann wird die Kiste mit Tricks und Requisiten bis auf die letzte nächtliche Nebelschwade geplündert.

Langweilig ist „Die Frau in Schwarz“ schon deswegen nicht, weil man ständig geradezu herausgefordert wird, die Quellen der vielen Zitate zu wiederzuerkennen. So sind die drei Schwestern in der ersten Einstellung genau so in Szene gesetzt wie die Zwillinge in „Shining“, und wenn sich nach seinem Kutscher auch jeder verängstigte Kneipengast in einen abgelegenen Dorf weigert, den Helden zu einem unheilvollen Gemäuer zu bringen, ist dies natürlich ein Teil des Dracula-Mythos.

Ähnlich wie Jonathan Harker bei Bram Stoker ist hier Arthur Kipps ein junger Anwalt, den im England des frühen 20. Jahrhunderts eine Immobilienangelegenheit in düstere Gegenden lockt. Er soll sich um den Nachlass einer mysteriösen Frau kümmern, und dieser entpuppt sich als ein Haus auf einer Insel in Nordengland, die nur bei Ebbe über einen Damm erreicht werden kann.

Das Haus ist verflucht, und sein Geist braucht gar nicht viel zu machen, um das Unheil heraufzubeschwören: Immer wenn jemand im Haus die „Frau in Schwarz“ sieht, stirbt im Dorf ein Kind. Kein Wunder, dass alle im Ort versuchen, den naiven Arthur davon abzuhalten, das Haus zu besuchen. Doch da ist ja noch der mutige Skeptiker, der nichts von diesem Aberglauben wissen will und den jungen Helden mit dem einzigen Auto im Ort auf die Insel bringt.

Im Haus läuft Regisseur James Watkins dann mit seinen alten, aber immer noch erstaunlich wirksamen Gruseleffekten (beim Preview in der Bremer Schauburg wurde das Angstlachen immer heftiger) zur Hochform auf. Für ein zumindest gefühltes Drittel des Films stolpert der arme Held durch das Spukhaus und natürlich lauert hinter jeder dunklen Ecke ein Erschrecken.

Dass diese plötzlich auftauchenden Augen, Schemen in Spiegeln und Fratzen im Fenster (immer mit einem schön gruseligen Sound-Design) kaum der inneren Logik der Geschichte entsprechen, stört da kaum. Einige dieser Erscheinungen sieht der Held gar nicht und ist ein Gespenst, das nicht von den Figuren der Erzählung wahrgenommen wird, überhaupt noch ein Gespenst?

Aber Watkins kann wirklich schön Bu! machen, und steht damit in der guten britischen Tradition der Hammer-Studios, die in den 60er-Jahren möglichst schrille Horrorfilme produzierten und als Produktionsfirma von „The Woman in Black“ einen Neustart wagen.

Mit deren einstigen Ikonen Christopher Lee und Peter Cushing sollte man Daniel Radcliffe nicht vergleichen. Er ist hier ein eher passiver Antiheld, der nicht viel mehr zu tun bekommt, als schön erschreckt zu gucken und der mit dieser Rolle sicher nicht eine große Neo-Harry-Potter-Karriere beginnt.

Doch der Schluss des Films ist wie für ihn maßgeschneidert. Wieder beginnt für Daniel Radcliffe mit einer Dampflok an einem Bahnsteig eine Reise, die so nicht auf dem Fahrplan steht.