Retro-Cocktails und Musik zur Therapie gegen Melancholie
: Freud und Leid der Affenforschung

von Jenni Zylka

Unter dem YouTube-Clip vom Superpunk-Hit „Neue Zähne für meinen Bruder und mich“ kommentierte jemand: „Nettes Lied – aber das ist doch kein Punk!“ „Eagles of Death Metal machen auch keinen Death Metal“, hat ein anderer darauf geantwortet, „und wie die Eagles klingen sie auch nicht!“ Eben. Ein Glück.

Am Freitag im Festsaal Kreuzberg fand jedenfalls das letzte Superpunk-Konzert aller Zeiten statt, und sie werden einem furchtbar fehlen: Zu welchem Anlass soll man denn jetzt die Hand mit Bierflasche und – erstaunlicherweise gleichzeitig – erhobenem Zeigefinger in Richtung Bühne recken und „Ich bin nicht böse gebooooooren!“, „Ich bin kein Ignorant / und ich bin kein Idiooot!“ und „Das waren Mods, oooh, das waren Mods!“ brüllen?

Die bandinterne Rührung schwappte von der Bühne in freundlich schwitzenden Wellen durch das Publikum, und weil Poesie und Musik ja angeblich die beste Therapie gegen Melancholie sind, traten wir noch vor Konzertende den langen Lauf zu uns selbst, Quatsch, zur Spex-Abschiedsparty an, wo man theoretisch gleich weitertrauern hätte können, weil die Spex-Redaktion doch neulich so unschön und abrupt aus den Chefsesseln gehebelt wurde, wie es sonst nur in miesen Großkonzernen gang und gäbe ist.

Aber es hilft ja alles nichts, man war zum Feiern da: Staropramen mit Blick auf die noch zu gentrifizierenden Hochhausschluchten Neuköllns, die ätherische Barbara Morgenstern zwischen kahlen Betonwänden, leider war der – jetzt rein beatmäßig – heißere Scheiß (der unermüdliche Thomas Meinecke) so spät terminiert, dass ich (da eben nicht unermüdlich) vorher ins Bett musste, halbwegs von der Melancholie geheilt.

Allerdings nur bis zum nächsten Morgen, Alkohol schlägt in letzter Zeit immer so aufs Gemüt. Die Laune besserte sich beträchtlich, weil im Radio ein Gespräch mit einer Professorin für kognitive Kommunikation bei nichtmenschlichen Primaten zu hören war, und Affenforschung ist einfach immer spannend. Wenn die Sache mit Dian Fossey nicht so grässlich geendet hätte und man zudem nicht ständig an den Geruch von fauligen Apfel- und Orangenstücken und an die gruselige T.C.-Boyle-Geschichte denken müsste, in der die Pflegerin am Ende mit dem großen Schimpansen durchbrennt, könnte man sich ernsthaft überlegen, auf die alten Tage noch einmal umzusatteln.

Schließlich ist der olfaktorische Eindruck der einzige Reiz, der phasisch rezipiert wird, was bedeutet, dass einem der Obstgestank nach einer halben Stunde im Käfig nicht mehr auffällt. Außerdem hockt man beim Forschen ja auch gar nicht im Affengefängnis, sondern duckt sich hinter einen hübschen Maulbeerfeigenbaum im Lake-Manyara-Nationalpark und guckt Paviankindern beim Spielen zu. Oder setzt sich in die Nähe, kratzt sich am Kopf und tut so, als ob man sich gar nicht für die Affenfamilie interessiert, bis der Silberrücken einem aus freien Stücken die Pfote gibt (im Falle der Gorillabeobachtung, Paviane rutschen vermutlich auf dem roten Hintern näher oder so, das muss ich alles noch lernen).

Sonntag gab es abschließend einen Cocktailtermin in der Viktoriabar, denn ab und an darf man ja auch einmal etwas Schwieriges trinken, und weil wir gerade so gut in Schwung waren, rutschten wir in die Green-Door-Bar weiter und sinnierten darüber, wie exotisch Cocktails früher in Berlin waren.

Retro, wie ich bin, bekam ich direkt Lust, eine Grüne Minna und einen Fudschi zu bestellen, nur um der alten Zeiten willen. Aber ich hatte Angst, mit einem Fußabdruck auf meinem Pavianhintern nach Hause gehen zu müssen. Denn so ein studierter Cocktailakademiker lässt in solchen Sachen bestimmt nicht mit sich spaßen.