Die Invasion der Schwangeren

KIEKEN In „17 Mädchen“ erzählen Delphine & Muriel Coulin die auf einem wahren Fall beruhende Geschichte von Schülerinnen, die gemeinsam schwanger werden

In den starken Momenten des Films träumen, planen und handeln die jungen Frauen immer gemeinsam

VON WILFRIED HIPPEN

Nein, ein Schwangerschaftstest kann nicht mehrfach benutzt werden. Die Apothekerin ist erst amüsiert über diese naive Frage aber dann wird ihr Blick schnell ratlos, wenn die Mädchen vor ihr gleich zwölf von den Stäbchentests bei ihr kaufen wollen. Sie ist die erste in einer ganzen Reihe von Erwachsenen, denen diese jungen Frauen ein Rätsel sind. Nachdem eine von ihnen geschwängert wird, wollen sie alle auch ein Kind bekommen. Die jungen Männer des Ortes werden systematisch als Besamer genutzt und spielen danach keine Rolle mehr in diesem seltsamen gruppendynamischen Prozess, der auf einer wahren Geschichte beruht. Im Jahr 2008 wurden in dem kleinen Ort Glouchester im amerikanischen Bundesstaat Oregon 17 Schülerinnen eine Highschool fast gleichzeitig schwanger. Sie hatten einen Pakt geschlossen, gemeinsam Kinder auszutragen und großzuziehen. Wie genau es dazu kam blieb ein Geheimnis und auch die beiden Regisseurinnen Delphine und Muriel Coulin erzählen diese Geschichte zwar fast ausschließlich aus der Perspektive der jungen Frauen, aber sie geben nicht vor, den einen, alles erklärenden Auslöser gefunden zu haben. Als Metapher für dieses Rätsel haben sie die Maikäfer gefunden, die in manchen Jahren in riesigen Massen schlüpfen und dann ebenso plötzlich wieder verschwinden.

In „17 Mädchen“ landen diese Käfer immer wieder auf den Körpern der jungen Frauen, die in der bretonischen Hafenstadt Lorient eine verschworene Gruppe bilden. Deren Anführerin ist die charismatische Camille. Sie wird als Erste schwanger und malt den anderen so eindrücklich ihre rosa Zukunft als junge Mutter aus, dass diese ihr mit erstaunlich schnellem und zahlreichem Erfolg nacheifern.

Das Lehrerkollegium beruft eine Konferenz ein und der Schulrektor redet von Gruppenzwang und einem Schulverweis für Camille, aber wie einige Eltern ist auch diese Erwachsenen völlig ratlos. Die Lokalzeitungen berichten über den Fall aber die Mädchen sind durch diese Reaktionen der anderen kaum betroffen. Für eine kurze Zeit scheinen sie als Gruppe unverletzlich zu sein. Wenn eine von ihnen von ihren Eltern eingesperrt wird, organisieren sie gemeinsam deren Flucht und eine Unterkunft für sie und ihre Unbekümmertheit geht so weit, dass sie auch mit dicken Bäuchen weiter rauchen und sich auf Partys betrinken.

Diese fast schon symbiotische Gemeinschaft dieser Gruppe von jungen Frauen feiern die Geschwister Delphine und Muriel Coulin in authentisch wirkenden und sehr atmosphärisch inszenierten Sequenzen.

Dabei ist die Kamera immer nah an den Gesichtern und Körpern der jungen Frauen. Oft treffen sie sich am Strand und dort scheinen sie aus der Weite von Meer und Himmel ihre Vitalität zu schöpfen. Denn diese Energie und der kompromisslose Glaube an ihre ganz eigene Utopie sind es, die die Filmemacherinnen hier möglichst eindrucksvoll auszurücken versuchen. In den starken Momenten des Films träumen, planen und handeln sie immer gemeinsam, und das Ensemble von jungen Darstellerinnen verkörpert sie dabei so glaubwürdig als eine Einheit, dass man zumindest ihr Hochgefühl in diesem Augenblicken nachempfinden kann.

Doch leider haben die beiden Filmemacherinnen keine schlüssige Dramaturgie gefunden, die diese atmosphärisch so dichten Sequenzen miteinander verbindet. Ihr Problem ist, dass sie eher einen Zustand beschreiben als eine Geschichte erzählen. Es gibt zwar einzelne dramatische Verwicklungen (so schummelt sich eines der Mädchen mit Kissen am Bauch unter die Schwangeren), aber diese werden seltsam statisch und halbherzig entwickelt. So entwickelt der Film nur wenig erzählerischen Sog und läuft mit einem unbefriedigenden offenen Ende aus. Bilder von den jungen Müttern, die sich mit ihren Kindern abmühen, wollten die beiden Filmemacherinnen nicht zeigen. Für „17 Mütter“ interessieren sie sich erstaunlich wenig.