Die Amerikaner pilgern

JAKOBSWEG In dem Road- oder besser Pathmovie „Dein Weg“ lässt Emilio Estevez seinen Vater Martin Sheen die berühmte Pilgerreise nach Santiago de Compostela machen

Estevez verzichtete auf melodramatische Zuspitzungen. Stattdessen bestimmt wie bei guten Roadmovies die Reise die Dramaturgie

VON WILFRIED HIPPEN

Die Reise auf dem Pilgerpfad nach Santiago de Compostela ist ein beliebtes Sujet in den erzählerischen Künsten. So sind die Bücher mit den Reisebeschreibungen von Hape Kerkeling und Paulo Coelho zu Bestsellern geworden und im Kino werden immer mal wieder am Camino angesiedelte spirituelle Roadmovies gedreht.

„Die Milchstraße“ von Luis Bunuel ragt in dieser Reihe als ein surreales Meisterwerk heraus. Typischer für das Subgenre ist eher die Gesellschaftskomödie „St. Jacques – Pilgern auf französisch“ von Coline Serreau. Dass sich aber ein amerikanischer Regisseur an diesem Thema versucht, ist überraschend. Für Emilio Estevez, der in den 80er Jahren als Schauspieler in Hollywoodfilmen wie „Repo Man“ und „The Breakfast Club“ bekannt wurde, ist „The Way“ ein Familienunternehmen.

Er wurde durch eine Pilgerreise seines Sohnes dazu inspiriert, sein Vater Martin Sheen spielt die Hauptrolle und unterschwellig scheint es so, als würde auch immer von seinem Bruder Charlie Sheen, dessen schwierigem Charakter und seinen Problemen mit dem gemeinsamen Vater erzählt. So spielt Martin Sheen den wohlhabenden Augenarzt Tom, der schon lange jeden Kontakt mit seinem Sohn Daniel abgebrochen hat.

Nachdem er erfahrt, dass dieser beim Wandern auf dem Jakobsweg in einem Sturm ums Leben kam, fährt er nach Frankreich, um die Leiche seines Sohnes zu identifizieren. Durch diesen Verlust stürzt Tom in eine Sinnkrise und um seinen Sohn zumindest nach dessen Tod näher kennenzulernen, begibt er sich an dessen Stelle auf die Pilgerfahrt.

Auf dem Weg will er an bestimmten Stellen die Asche seines Sohnes verstreuen, und er benutzt sogar dessen Wanderausrüstung und Rucksack. Von Zeit zu Zeit erscheint ihm sein toter Sohn in Visionen, und natürlich spielt ihn sein realer Sohn Estevez.

Dieser familiäre Grundton macht den eigenen Charme des Films aus. Estevez inszenierte mit einer angenehmen Gelassenheit und verzichtete ganz auf melodramatische Zuspitzungen. Stattdessen bestimmt hier wie bei allen guten Roadmovies die Reise die Dramaturgie. Auf der Reise gibt es schlechtes Wetter, harte Betten, Blasen an den Füßen und kleinere Krisen wie jene, bei der die Urne mit der Asche des Sohnes gestohlen wird.

Obwohl er sich von den anderen Pilgern abseits hält, befreundet sich Tom schnell mit drei Weggefährten. Für diese bediente sich Estevez bei dem Klassiker „The Wizard of Oz“, dessen Helden die Filmfiguren nachgebildet sind. So ist eine sarkastische Heimatlose aus Kanada, die von Deborah Kara Unger als eine verlorene Seele mit spitzer Zunge gespielt wird, der Zinnmann ohne Herz aus der Kindergeschichte. Ein jovialer und verfressener Holländer (Jorick von Wageningen) ist der Löwe ohne Mut und ein irischer Schriftsteller mit Schreibblockade (James Nesbitt) wird zur Vogelscheuche ohne Hirn.

Martin Sheen führt sie als eine (zugegeben etwas unorthodoxe) Dorothy auf eine Reise, die zwar durch keine fantastische, dafür aber grandiose Landschaft führt, bei der Estevez klug genug ist, den üblichen Postkartenblick zu vermeiden.

Ein wenig macht sich Estevez auch über die Auswüchse des Pilger-Tourismus lustig, aber sein Blick bleibt dabei immer der eines sanften Spötters. Mit etwas über zwei Stunden ist der Film etwas lang geraten, aber für eine Pilgerreise braucht man halt Ausdauer.