Kampf der Kapellen

HIGH-SPEED-BLASMUSIK Die rumänische Fanfare Ciocărlia und das serbische Boban i Marko Marković Orkestar kämpfen live um den Titel als schnellste Roma-Kapelle der Welt

High-Speed-Stakkatos mit mehr als 200 bpm – und zwar stundenlang

VON ROBERT MATTHIES

Viel mehr als die namengebenden „Zehn Felder“ gibt es im Dörfchen Zece Prajini im bitterarmen Nordosten Rumäniens bis heute nicht zu sehen. Nur eine einzige asphaltierte Straße führt durch den kleinen Ort mit zwei Kirchen, ein paar Lebensmittelgeschäften und einem Kindergarten. Und der dreimal am Tag vorbeifahrende Zug hält hier gar nicht erst an, sondern bremst nur ein wenig ab – damit sich Reisende nicht so arg verletzen, wenn sie aus dem Zug springen. Die eigene Hauptstadt Bukarest bekommen nur wenige der rund 400 Einwohner jemals zu Gesicht.

Überreich ist die Gemeinde an der Grenze zu Moldawien aber an Musik. Rund ein Viertel der Menschen spielt hier wie in vielen Dörfern in der Gegend in einer der zahllosen Roma-Fanfaren – und lebt mehr oder weniger schlecht davon: Andere Arbeit finden sie in der von Antiziganismus geprägten Umgebung nur selten. So lebten noch vor 16 Jahren auch die zwölf Mitglieder der Fanfare Ciocărlia, als sich der deutsche Toningenieur Henry Ernst nach Zece Prajini verirrt und einige der besten Musiker des Dorfes – die bis dahin nur auf Hochzeiten oder Beerdigungen zusammen gespielt hatten – überredet hat, ein festes Ensemble für eine Tour durch Europa zu gründen – und die Kombo so für die internationale Musikwelt „entdeckt“ hat.

Seitdem hat sich für die Rumänen viel verändert. Heute blickt die Dorf-Fanfare auf weit über 1.000 Konzerte in über 50 Ländern und auf den größten Bühnen dieser Welt zurück. Vor sechs Jahren gab es für die komplexen Rhythmen und die eigenwillige Mischung aus Roma- und rumänischer Volksmusik mit türkischen, bulgarischen, serbischen und mazedonischen Einflüssen, mit der die Fanfare gern mal Holly- und Bollywood-Schlager interpretiert, schließlich auch den BBC World Music Award. Und auf die Leinwand habet sie es auch längst geschafft: In Sascha Baron Cohens Film „Borat“ spielt die Band eine unvergleichliche Cover-Version von „Born to be wild“ und auch in Fatih Akins „Gegen die Wand“ hat die Fanfare ihren Auftritt.

Als schnellste Blechbläsertruppe der Welt gelten die zwölf Rumänen dabei sowieso schon lange: High-Speed-Stakkatos mit mehr als 200 bpm sind für die Fanfare Ciocărlia kein Problem – und zwar stundenlang. Ihre – nach etlichen CDs – einzige Vinylplatte „Best of Gypsy Brass“ hat das anfangs ausschließlich als Management- und Bookingagentur für die Fanfare gegründete Label Asphalt Tango deshalb auch auf 180 Gramm schweres Vinyl pressen lassen – damit wirklich jede Note draufpasst.

Aber auch eine andere Band hält sich für die unanfechtbare Nummer eins der Roma-Kapellen: das serbische Boban i Marko Marković Orkestar um den mehrfachen Gewinner der „Goldenen Trompete“ beim renommierten Trompetenfestival im westserbischen Guča Boban Marković und dessen Sohn Marko.

Beim „Balkan Brass Battle“ wird der Champion nun live ermittelt. Zwei Stunden dauert der Blechbläser-Kampf, bei dem die eine Kapelle die andere buchstäblich von der Bühne zu blasen versucht. Am Sonntag findet der Showdown im Rahmen des Schleswig-Holstein Musik Festivals vor dem Hamburger Museum der Arbeit statt.

Hamburg: So, 22. 7., 19 Uhr, Museum der Arbeit, Wiesendamm 3