Flusskreuzfahrt mit dicken, alten Amis

GRENZGÄNGER Der Roman „Tod auf der Donau“ des slowakischen Autors Michal Hvorecky bewegt sich zwischen Liebesgeschichte, Thriller und trockenem Reiseführer

Es ist eine hübsche Idee, dass es am Schluss noch zu einer echten Katastrophe kommt

Die Donau, die bei Donaueschingen als Zusammenfluss von Brigach und Breg entsteht, ist ein außerordentlich grenzüberschreitender Fluss. Zehn verschiedene Staaten liegen an ihren Ufern, für vier davon bildet sie, auf insgesamt über einem Drittel ihres Gesamtlaufs, die Staatsgrenze. Das stolze Gewässer ist Zeuge vieler Jahrhunderte europäischer Geschichte.

Ja, man kann sich gut vorstellen, dass eine Flusskreuzfahrt auf der Donau in den Jahrzehnten nach der politischen Wende in Osteuropa zu einem beliebten Reiseprogramm unter amerikanischen Senioren geworden ist. Auch für einen Romanautor ist eine solche Reise praktisch, denn durch den äußeren Rahmen der Schiffstour ist der formale Rahmen für eine etwaige zu erzählende Geschichte durch die Stationen der Reise gleich vorgegeben.

Was für eine Geschichte könnte man sich da einfallen lassen? Solche Überlegungen mag der Autor Michal Hvorecky angestellt haben, als der Bewerbungsbogen für das Grenzgänger-Stipendium der Robert-Bosch-Stiftung vor ihm lag. Wenn ein unaufgeklärter Mord darin vorkäme, dachte er vielleicht, so ergäbe sich ganz von selbst eine gewisse Spannung, die sich ansonsten auf einer Donauflussfahrt nicht zwingend einstellt.

Ein bisschen was mit Liebe, vielleicht gar eine Prise Sex, sollte man einbauen. Und eine Hauptfigur braucht man natürlich. Hvorecky entschied sich für einen slowakischen Intellektuellen, einen talentierten Übersetzer, der unter anderem Claudio Magris’ essayistisches Donaubuch „Donau. Biographie eines Flusses“ ins Slowakische übersetzt hat, aber, da mit Übersetzen kein Geld zu verdienen ist, bei den Amerikanern und ihren Flussschiffen als Reisebegleiter angeheuert hat. Die Magris-Übersetzung und die Tatsache, dass dieser junge Mann, der Martin genannt wird, von Kindesbeinen an von der Donau fasziniert gewesen sein soll, bietet dann wohlfeilen Anlass, den Roman zwischendurch ausdauernd mit reichlich trocken dargebrachtem Reiseführerwissen zu füllen.

Es ist ein Jammer, und das haben sie auch alle nicht verdient. Die Donau nicht, die als Fluss allzu eindrucksvoll ist, als dass ein Romanautor, der auf sich hält, ihren imposanten Lauf einfach als touristische Rahmenhandlung abnudeln dürfte. Die amerikanischen Touristen nicht, die in geradezu rassistischer Manier als verachtenswerte Horde von dummdreisten, kultur- und geschichtslosen Banausen vorgeführt werden (und wenn man auch einwenden könnte, das sei immerhin Satire, so sei dazu gesagt, vor allem die Satire sollte gekonnt sein). Und die Buchkäufer nicht, denen von der Inhaltsangabe auf dem Buchdeckel glatt weisgemacht wird, es handele sich um eine Art Thriller.

Die an Redundanz kaum zu überbietende, rudimentäre Handlung bringt tatsächlich mehrere Leichen mit sich. Warum, bleibt jedoch unklar. Hübsche Idee zwar, dass es am Schluss noch zu einer echten Katastrophe kommt. Möglicherweise aber haben die meisten LeserInnen das Buch vorher schon endgültig zugeklappt.

Das Grenzgänger-Stipendium, mit dem unter anderem die Arbeit an belletristischen Werken finanziell unterstützt wird, die sich mit den mittel- und osteuropäischen Nachbarstaaten Deutschlands befassen, ist eine großartige Sache. AutorInnen bietet es ein nettes Zubrot noch während des Romanschreibens sowie die Möglichkeit, ein bisschen fremdfinanziert zu reisen.

Und so manches mittel- und osteuropäische Land hat auf diese Weise schon eine tragende Nebenrolle in dem einen oder anderen Roman übernommen, in dem es ohne die Hilfe der Robert-Bosch-Stiftung nie aufgetaucht wäre. Fatal aber ist es, wenn man als RezipientIn eines Werks das Gefühl bekommt, hier versuche ein Autor so eifrig, die Bedingungen einer Ausschreibung zu erfüllen, dass er das, was sein eigentliches Ziel sein sollte, dabei glatt als nebensächlich aus dem Auge verliert: ein gutes Buch zu schreiben. KATHARINA GRANZIN

Michal Hvorecky: „Tod auf der Donau“. Aus dem Slowakischen von Michael Stavaric. Tropen Verlag, Stuttgart 2012. 271 Seiten, 19,95 Euro