ORTSTERMIN: BEI DER HAMBURGER PREMIERE DES STUDIO-BRAUN-FILMS „FRAKTUS“
: Techno-Veteranen im Jägermeister-Rausch

Was alte und junge Film- und Musikschaffende, Katalog-Hipster und Studierende hergeführt hat, ist ein Schwindel

„Warum haben wir denn nicht gleich deren Musik genommen?“, fragt Carsten Meyer. Hinter sich hat der runde Schnauzbartträger, Popmusik-Interessierten halbwegs bekannt unter dem Namen Erobique, eine nun wieder leere Leinwand. Vor sich ein nahezu bis auf den letzten Platz besetztes Abaton-Kino im Hamburger Grindelviertel, gleich neben dem Uni-Campus. „Das wär’ doch viel einfacher gewesen ...“, fährt Meyer fort, bekommt aber keine Antwort von denen, die da neben ihm stehen und sich das Mikrofon weiterreichen.

Das gehört zu den Überraschungen dieses Samstagabends: „Fraktus“ hat es wirklich gegeben. Oder genauer: eine Band gleichen Namens, in den frühen 1980ern, am Bodensee. Wenn man das denn glauben möchte. Denn was die Crowd aus alten und jungen Film und Musikschaffenden, Katalog-Hipstern und, ja, mutmaßlich Studierenden hierher geführt hat, ist ja zuallererst ein konsequent zu Ende exerzierter Schwindel.

In „Der Tag, als Bobby Ewing starb“ sei es Regisseur Lars Jessen vor ein paar Jahren ums Dokumentarische im Fiktiven gegangen, hatte Kino-Geschäftsführer Matthias Elwardt der Vorführung voraus geschickt. Jene Geschichte einer Jugend in der grün-alternativen, norddeutschen Provinz erzählte ja nicht zuletzt von ganz realer Angst angesichts der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl. Nun aber, so Elwardt weiter, gehe es gewissermaßen um das Fiktive im Dokumentarischen: „Fraktus – Das letzte Kapitel der Musikgeschichte“, das Kino-Debüt des großen Hamburger Komiker-Trios Studio Braun, ist eine Art „This is Spinal Tap“ für die Techno-Generation. Ein Pseudo-Dokumentarfilm über eine angeblich legendäre Band, gegründet zu Punk-Zeiten im schleswig-holsteinischen Brunsbüttel, Vorreiter der Neuen Deutschen Welle, Sound-Visionäre, ja: die eigentlichen Erfinder des Techno. Die dann, kurz vor dem ganz großen Durchbruch, im Nebel verschwand.

Auch wenn die eigentliche Weltpremiere schon vor ein paar Wochen erledigt wurde und es nun „keinen Roten Teppich oder so“ geben würde, wie der Presseverantwortliche gesagt hatte: Dieser Samstagabend hat doch etwas von großem Premierenrummel. Ungefähr jeder dritte Sitzplatz ist für das Team reserviert, Regisseur Lars Jessen ist da, Studio Braun sind es natürlich auch, dazu etliche, die mitgemacht haben, hinter der Kamera oder auch davor: Hamburgs vielleicht ernst zu nehmendster Popstar Jan Delay etwa. Oder Matthias Schuster, Ex-„Geisterfahrer“-Musiker, Studiobetreiber und Bewahrer von obskuren Synthesizern. So wie ein ganzer Schwung weiterer, teils legendärer Größen der elektronischen Musik, hätten sich ohne zu zögern beteiligt, erzählt Klaus Maeck, einer der Produzenten: Er sei überrascht gewesen, wie bereitwillig sie alle gelogen hätten.

Manche der Anspielungen im Film mögen bei jüngeren Zuschauern vielleicht nicht verfangen haben – wer unter Mitte 30 kennt denn schon noch Blixa Bargeld? Und wer Steve Blame, der in grauer Vorzeit auf MTV moderierte? Und wer guckt überhaupt noch MTV? Egal, zu lachen gibt’s – während des Films wie auch im Anschluss – auch so genug: Ob sich nun Rocko Schamoni beklagt, dass er nichts abgekriegt hat vom „ganzen Jägermeister-Schnaps“ des sichtlich erhitzten Studio-Braun-Kollegen Heinz Strunk. Oder ob zu erfahren ist, dass auch die Komik-Ikonen Helge Schneider und Heino Jaeger bloße Erfindung des Trios sind. Und so hat dieser Abend nicht zuletzt etwas von einem Klassentreffen – auch da wird ja viel Jägermeister konsumiert. ALDI

„Fraktus – Das letzte Kapitel der Musikgeschichte“ startet am Donnerstag in den Kinos