Hart am Geld

Beim America‘s Cup in Valencia wird das deutsche Boot lediglich hinterhersegeln. Was vor allem am kleinen Etat von 50 Millionen Euro liegt. Andere Teams investieren schon mal 100 Millionen US-Dollar

„Wenn wir nur ein bisschen Euphorie abbekommen würden, wäre das großartig“

AUS VALENCIA ANDREAS RÜTTENAUER

„Schauen Sie sich doch einmal ein Segel an“, sagt Michael Scheeren, der Teamchef der ersten deutschen Bootes, das um den America‘s Cup mitsegelt. „Und dann schauen Sie sich mal ein Fußball-Trikot an.“ Er lächelt. Klar, auf ein Segel passt mehr drauf. Mehr Werbung. Michael Scherern war einst Finanzchef der Firma, deren Logo ab heute, wenn die letzte Proberegatta vor den ersten entscheidenden Rennen am 23. Juni um die berühmte Trophäe für Hochseeyachten gestartet wird, auf dem Boot der „Germany 1“ prangen wird. Die heiße Phase um den Kampf beim America‘s Cup vor der Mittelmeerküste bei Valencia hat begonnen.

„Wir haben das deutsche Boot ins Wasser gebracht, das kann uns keiner mehr nehmen“, sagt Scheren. Die United Internet AG, die mit ihren Webdienstleister-Marken über einen hohen Bekanntheitsgrad verfügt, fühlt sich ein wenig wie David unter all den Riesen, die die Boote der Konkurrenten unterstützen. „Wir sind Mittelständler“, hebt Scheren im Gespräch immer wieder hervor, „und wir wollen zeigen, was in diesem Land alles möglich ist.“ Dass seine Firma, deren Chef Ralph Dommermuth auch sehr viel privates Kapital in das Segelprojekt investiert hat, den Sprung auf die große Bühne des Weltsports geschafft hat, ist für Scheeren ein wahrer Coup. Er träumt vom ganz großen Auftritt, er erinnert sich an die Fußball-WM, an das Fahnenmeer, das die ganze Republik überschwemmt hat. „Wenn wir nur ein bisschen etwas von dieser Euphorie abbekommen würden, wäre das großartig“, sagt er. Doch er weiß auch, wie schwierig das sein wird. Fast unmmöglich.

Denn dem deutschen Boot werden keine Chancen eingeräumt, im Rennen der Herausforderer sonderlich weit zu kommen. Es wird mit großer Wahrscheinlichkeit nicht das deutsche Boot sein, dass gegen den Titelverteidiger, das Schweizer Team Alinghi, antreten darf. Zu spät haben sich die Deutschen ernsthaft mit den Projekt America‘s Cup beschäftigt, zu gering ist der Etat im Vergleich etwa zum amerikanischen Team. Der Etat des deutschen Teams wird auf 50 Millionen Euro geschätzt. Eine Summe, über die Dennis Conner nur lachen kann. Conner ist einer der erfolgreichsten Segler aller Zeiten. Als Chef an Bord hat der Skipper drei mal eine US-Yacht zum Sieg beim America‘s Cup geführt. „Geld bedeutet Geschwindigkeit“, betont er immer wieder und ist fest davon überzeugt, dass, wer nicht mindestens 100 Millionen US-Dollar investiert, aus sportlichen Gesichtspunkten heraus eigentlich gar nicht erst anzutreten brauche.

Die Deutschen mit ihren Teamchef Scheeren wissen das nur zu gut. In den bisherigen Vorregatten hat sich das Team, das vom dänischen Skipper Jesper Bank angeführt wird, noch nicht mit Ruhm bekleckert. Dennoch bezeichnete Bank lange das Erreichen des Halbfinales der Herausforderer als sein persönliches Ziel. Scheeren war von Beginn an vorsichtiger. Er meinte, ein sechster Platz wäre schon „Wahnsinn“. Nachdem das nagelneue Boot getestet und die endgültige Segelcrew ausgewählt wurde, glaubt auch der Skipper nicht mehr an eine realistische Chance, unter die besten Vier der Herausfordererrunde zu kommen. Ein schwarz-rot-goldenes Fahnenmeer im Hafen von Valencia wird es wohl nicht geben. „Ein bisschen Euphorie würde uns doch schon reichen“, sagte Michael Scheeren, der selbst vom Segeln keinen blassen Dunst hatte, bis er sich von seinem ehemaligen Chef hat überreden lassen, das Projekt zu leiten.

Ein wenig Angst hat er schon, dass seine Arbeit an der von ihm so genannten „deutschen Kampagne“ keine allzu großen Früchte tragen wird. Denn die Deutschen sind Laien, was das Hochseesegeln betrifft. Immer wieder wird der Vergleich mit der Formel 1 bemüht; das Segeln mit den Riesenyachten als Hightech-Event angepriesen. Doch während beinahe jeder erwachsene Bundesbürger, weiß, wie es sich anfühlt, ein Auto zu fahren, ist der Wassersport eine eher elitäre Freizeitbeschäftigung. Die Deutsche Telekom, die mit ihrer Geschäftskundenmarke T-Systems das südafrikanische Team Shosholoza unterstützt, sieht das nicht als Problem. Vor allem Entscheider in der Wirtschaft sollen vom Engagement im America‘s Cup angesprochen werden. Christian Rätsch, Leiter des Markenmanagements bei T-Systems, hat nachgerechnet, dass es mehr Wassersportler als Golfer unter den Managern der T-Systems-Kunden gibt. Deshalb prangt nun das rosa Loga auf dem bunten Rumpf des südafrikanischen Bootes.

Bei T-Systems hat man daher auch weniger Schwierigkeiten zu erklären, warum in Valencia ein ganzer Hafen ein völlig neues Gesicht bekommen hat – durch die nur wegen des America‘s Cups errichteten Team-Basen. Das italienische Modelabel Prada, das die italienische Yacht Lunarossa sponsort, findet in den modernen Hallen im Hafen eine ideale Kulisse für Jetset-Bilder im kühlen Designer-Schick. Star-Architekt Renzo Piano wurde verpflichtet, um das Äußere der Basis zu gestalten. Er ließ die Team-Basis mit mehr als 50 der riesigen Tücher verkleiden, die aus dem selben Spezial-Material sind wie die Segel der Sportyachten. Neu kostet ein solches schon einmal 100.000 Euro.

Da können die Deutschen nicht mithalten. Und die hiesigen Fernsehzuschauer – ARD und ZDF senden live vom Mittelmeer – werden sehen können, in welch bescheidener Hütte die Deutschen vergleichsweise hausen. Die Halle von Team Germany wurde von Matti Paschen entworfen, einem Hamburger Architekten, der selbst als Segler mit an Bord des deutschen Teams die Regatten bestreiten wird. Er ist seit zwei Jahren Segelprofi und wohnt in Valencia. Doch von den ganz großen sechsstelligen Jahresgagen, die die berühmten Skipper der favorisierten Yachten einstreichen, kann er nur träumen. Er ist als Trimmer für den richtigen Sitz des Spinnaker-Segels verantwortlich. Paschen wird sicherlich sein bestes geben. Für gute Ergebnisse wird dies eventuell dennoch nicht reichen. In der letzten Vorregatta belegte Team Germany Platz 11, den vorletzten.