Doping bei der Tour de France: Die "dritte Generation" fährt mit

Radprofis dopen bei der Tour de France mit neuen Mitteln. Über die Nachweisbarkeit der nächsten Epo-Generation streiten sich die Experten.

Christian Prudhomme, hier mit Gendarmen. Vielleicht kämpft er ja einen vergeblichen Kampf gegen Doping. Bild: dpa

MONTPELLIER taz Christian Prudhomme ist eigentlich ein ruhiger Mensch, doch diese Frage brachte ihn in Rage. Ob es denn nicht Zeit sei, das Rennen zu unterbrechen, wollte ein Reporter wissen, nachdem bereits der dritte Fahrer beim Doping erwischt wurde. "Sie verkennen den Feind", wetterte Prudhomme. "Der Feind ist nicht der Radsport, der Feind ist nicht dieses Rennen, der Feind ist das Doping."

Bei Beltran und Duenas war man noch bereit, an schwarze Schafe zu glauben. Nach Ricco kann man sich kaum mehr des Generalverdachts gegen diesen Sport erwehren. Vielleicht kämpft Prudhomme ja einen vergeblichen Kampf, vielleicht sind Doping und Radsport nicht voneinander zu trennen.

Genährt wird diese Vermutung durch die Unbelehrbarkeit gerade von jungen Fahrer wie Ricco. Der erst 24-Jährige ist offenbar in Strukturen hineingewachsen, die noch immer systematischen Betrug decken. Prudhomme selbst sagte am Donnerstag, dass er Riccos Mannschaft Saunier Duval für eine Organisation von zweifelhafter Reputation halte. Der Generalverdacht lebt aber vor allem wieder auf, weil bei allen drei überführten Dopern der diesjährigen Rundfahrt Starkmacher einer neuen Generation festgestellt wurden. Bei Ricco etwa fand man Spuren des Mittels Cera, eines Blutdopingmittels der "dritten Generation" , wie Sportmediziner diese Klasse von Präparaten nennen.

Offenbar nahm Ricco das Medikament im Glauben, er sei den Dopingjägern einen Schritt voraus. Der Fund legte die Vermutung nahe, dass nicht weniger gedopt wird als früher, sondern nur mit verfeinerten Methoden. So waren sich am Donnerstag Experten wie der französische Antidopingexperte Gerald Dine und sein deutscher Kollege Werner Franke einig, dass nur 10 Prozent derjenigen, die mit Mitteln wie Cera hantieren, auch erwischt werden. Der Grund: Die heutigen Tests seien unzureichend. Dem widerspricht jedoch Professor Mario Thevis, Dopingforscher an der Sporthochschule Köln. Es gebe da zum einen die neuen Epo-Präparate wie Cera, die man bei Beltran, Duenas und Ricco gefunden habe. Und für diese gebe es sehr wohl zulängliche Tests. Bester Beweis: der Fahndungserfolg bei der Tour.

Zum anderen gebe es jedoch sogenannte Epo-Mimetika, also Epo-ähnliche Mittel, die allerdings erst im Entwicklungsstadium und deshalb für die Sportler vermutlich sehr schwer zugänglich seien. Muss man nun befürchten, dass eine unsichtbare Mehrheit mit nicht nachweisbaren Chemikalien im Blut durch die Lande radeln? Die Frage ist, ob wir bei der Tour echten Sport sehen, und sie ist, wie so viele Fragen im Radsport, nicht klar zu beantworten. Gewiss ist wenn nicht Radsportlern selbst, so doch ihren Mannschaftsärzten zuzutrauen, Kontakte zu Forschungslabors zu unterhalten und somit Zugang zu noch nicht marktgängigen Produkten zu haben. Team-Gerolsteiner-Chef Hans Michael-Holczer weist daraufhin, dass alle internen Kontrollprogramme der Mannschaften leicht als Dopingprogramme verwendet werden können.

Wieso sollten also nicht Mannschaftsärzte gezielt Hightech-Produkte aus den Entwicklungsabteilungen der Pharmaindustrie an ihrer Fahrer verteilen? Im Zimmer von Duenas fand die Gendarmerie das Mittel ADP, das auf dem französischen Markt noch nicht zugelassen ist. Die Existenz einer unverminderten kriminellen Energie im Radsport ist also wahrscheinlich. Gleichzeitig fällt es schwer zu glauben, dass integre Figuren wie Han- Michael Holczer oder der Manager der neuen Garmin-Equipe Jonathan Vaughters und auch Prudhomme es nicht ernst meinen mit ihren Versuchen, die Dinge anders anzugehen als gewohnt. Darüber, ob sie endgültig auf verlorenem Posten sind, kann man guten Gewissens auch nach dem Fall Ricco nicht urteilen.

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