in die hürde getreten
: Irrlauf der Täterschützer

Eine Aufarbeitung der Dopinggeschichte findet nicht statt. Bei der Medaillenjagd bleibt die Moral auf der Strecke

Werner Goldmann ist ein Dopingtrainer. Das steht nach Aussagen betroffener Athleten und einem Strafbefehl aus den Neunzigern zweifelsfrei fest. Dennoch konnte er, der in einer Ostberliner Kaderschmiede arbeitete, relativ problemlos im Westen, im Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV), Fuß fassen. Das verwundert, denn man konnte auf die Belege von Goldmanns Schuld zugreifen. Er hat seinerzeit beim Berliner TSC die Ex-Weltmeisterin im Diskuswerfen, Irina Meszynski, mit Dopingpräparaten gemästet. Sie war nicht die Einzige, die unter Goldmanns Spezialbehandlung litt. Weil seine Arbeit offenbar geschätzt wurde, war Goldmann einer von jenen 39 DDR-Dopingtrainern, die 1990 vom DLV übernommen wurden. Es sind jetzt nicht mehr so viele. Die dicksten Brocken sind aussortiert worden, doch die Kommissionen, die das verantworteten, haben komplett versagt. Die Kommissionäre haben immer wieder Täter durchschlüpfen lassen, weil der Delinquent ja auch ein nützlicher Idiot für den DLV gewesen ist. Ihnen war der Medaillenspiegel wichtiger als eine gescheite Aufarbeitung der Sportgeschichte.

Die Sportkommissionen tagten immer wieder mal. Bereits 1990 hat es unter dem Vorsitz von Manfred von Richthofen eine „Ad-hoc-Kommission zur Beratung in Doping-Fragen“ gegeben. Hätte sie gründlich gearbeitet, der vereinigte deutsche Sport wäre frei von Spitzeln und Plan-Dopern gewesen. Aber schon damals wurden die Probleme nicht wirklich angegangen. Man war auf freiwillige Aussagen angewiesen, musste oder wollte den Gesprächspartnern Glauben schenken. „Wir waren weder Staatsanwalt noch Richter“, hat Freiherr von Richthofen vom Sportbund seinerzeit zugeben müssen. Ein paar Jahre später hat er deswegen eine Anzeige vom Antidopingkämpfer Werner Franke bekommen. Der Vorwurf: In der Kommission sei über strafrechtlich relevantes Doping berichtet worden, Anzeigen seien aber nicht erstattet worden.

Richthofen beschwerte sich über die „unglaublichen Angriffe des Fanatikers Franke“ und durfte sich über die Gründung einer neuen Kommission freuen: die Laurien-Kommission, benannt nach iher Vorsitzenden Hanna-Renate Laurien, in den Achtzigern für die CDU Kultusministerin in Rheinland-Pfalz und später Schul- und Jugendsenatorin in Berlin. Vor den Sommerspielen von Peking gründete der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) die nunmehr dritte Kommission zur Überprüfung der „Dopingvergangenheit“ von Trainern. Goldmann wurde also zum dritten Mal evaluiert, und was bereits Anfang der Neunziger ins Auge stach, das wurde ihm 18 (in Worten: achtzehn) Jahre nach der Wende zum Verhängnis. Die Verschleppung der Causa Goldmann ist der eigentliche Skandal. Der Duktus, in dem der Brief, den die Schwerathleten aus Ost und West, die sich für Goldmann und dessen Weiterbeschäftigung stark machen, ist der zweite.

Hier werden munter Dopingopfer denunziert. Es wird unterstellt, ihre Schädigung sei nicht auf Doping zurückzuführen. Die Briefeschreiber vergessen, dass die staatlich anerkannten und mit einem Geldbetrag entschädigten Dopingopfer Atteste haben erbringen müssen, die den kausalen Zusammenhang zwischen Doping und Schädigung offenlegen. Die Unterstützer von Goldmann, ob sie nun Franka Dietzsch, Christina Obergföll oder Peter Sack heißen, gehen völlig in die Irre, wenn sie glauben, Goldmann sei ein Opfer. Das Gegenteil ist der Fall. Goldmann ist ein Täter. Und auch, wenn der DLV respektive der Sportbund beschämend lange weggeschaut haben, er bleibt ein Täter, der im Spitzensport nichts mehr zu suchen hat. MARKUS VÖLKER