Israelisch-palästinensischer Sportaustausch: "Alle Programme sind gestoppt"

Über 2.000 Kinder aus Israel und Palästina trafen sich alle zwei Wochen zum Fußball und Basketball. Organisator Gal Peleg spricht über die Probleme, die der Krieg mit sich bringt

"Die Kids haben durch die positive Sporterfahrung ihre Eltern beeinflusst und nicht wie sonst umgekehrt." Bild: peres-center

taz: Herr Peleg, wie ist die derzeitige Situation in Ihren israelisch-palästinensischen Sportprojekten?

Gal Peleg: Derzeit haben wir alle Sportprogramme in den Grenzgebieten zu Gaza und dem Westjordanland gestoppt. Das israelische Verteidigungsministerium hat in einem Streifen von 40 Kilometern vor der Grenze nach Gaza alle Outdoor-Aktivitäten an Schulen verboten. Aber gerade da liegen ja die Zentren unserer Sportprojekte. Das betrifft vor allem unsere israelisch-palästinensischen Basket- und Fußballteams an den Schulen in der israelischen Grenzstadt Sderot und den benachbarten Dörfern. Die aber liegen ja seit Dezember unter Dauerbeschuss.

Wie viele Kids haben denn bis zum Ausbruch des Krieges an dem Sportprogramm teilgenommen?

Bis zum Dezember 2008 haben über 2.000 Kinder und Jugendliche aus ganz Israel und fast allen arabischen Nachbarländern, hauptsächlich aus Palästina, in 34 Schulen Mädchen- und Jungen-Fußball- und -Basketballteams gebildet. Sie haben sich alle zwei Wochen für einen Nachmittag getroffen, gespielt und sich daheim in ihren Dörfern darauf gefreut und dafür hart trainiert.

Aber die Mixteams trafen sich immer in Schulen in Israel und nicht umgekehrt. Ist das nicht ein Grundproblem?

Ja, aber das geht nicht anders. Israelis ist es de facto verboten, nach Palästina zu reisen, oder es wird ihnen zumindest sehr, sehr schwer gemacht. Wir können zudem für israelische Sportler in Syrien, Jordanien oder Palästina nicht die Sicherheit garantieren, die sie brauchen. Deshalb müssen die arabischen Nachwuchssportler zu uns kommen. So ist die Lage! Dafür haben wir extra einen Visabeauftragten angestellt. Denn jeder Besuch eines Sportlers aus Palästina muss ja bei der israelischen Armee angemeldet und genehmigt werden.

Wie waren eigentlich die Reaktionen, wenn junge Israelis und Araber sich zum ersten Mal auf einem Sportplatz sehen und ein gemeinsames Sportteam bilden sollen?

Vorab werden die Sportler auf beiden Seiten von ausgebildeten Coaches auf diese wirklich besondere Situation vorbereitet. Dennoch herrscht am Anfang natürlich viel Nervosität, Angst und große Unsicherheit. Aber das legt sich schnell, wenn ein Ball ins Spiel kommt. Fußball ist in selbst verfahrenen Konfliktsituationen ein barrierearmes Medium. Vor allem junge Israelis sind oft überrascht, dass ihre neuen Mitspieler wie ganz normale Kinder aussehen und nicht wie Terroristen mit einer Waffe in der Hand oder wie Bin Laden. Zudem erhalten alle Spieler dieselben Schuhe und Trikots. Als Team sind sie dann nicht mehr auseinanderzuhalten.

Was sagen denn die Eltern zu diesem Teambuilding?

Durch den Sport hatten wir die Verhältnisse auf beiden Seiten ein wenig umgedreht. Die Kids haben durch die positive Sporterfahrung ihre Eltern beeinflusst und nicht wie sonst umgekehrt. Palästinensische Fußballer nahmen nach einiger Zeit sogar ihre Eltern mit über die Grenze. Die haben sich dann mit den Eltern der israelischen Mitspieler getroffen, geredet, diskutiert. Viele Eltern hatten ja anfänglich die Angst, dass ihre Kids nicht Fußball spielen, sondern eine politische Gehirnwäsche bekommen. Dann aber gab es stattdessen einen Dialog. Der Sport funktionierte da wie ein starker Eisbrecher. Das gilt ganz besonders in den Grenzgebieten zu Gaza und dem Westjordanland und in den Flüchtlingslagern, also den besonders benachteiligten Regionen mit vielen Vorurteilen auf beiden Seiten.

Und heute, nach fast drei Wochen Krieg?

Das ist genau das Problem. Es sind wohl jetzt wieder die Eltern, vor allem die Väter, die das Sagen haben. Selbst wenn es erlaubt wäre, sie würden die Zusammentreffen auf den Sportplätzen verhindern wollen. Die Bilder, die derzeit auf beiden Seiten im Fernsehen gesendet werden, lassen aktuell ein normales "gemeinsames Spielen" nicht mehr zu. Jedenfalls wenn es nach den Eltern geht. Von den Kids erhalten wir andere Signale.

Haben Sie Angst, dass all das, was Ihre Organisation in den vergangenen sieben Jahren so mühselig aufgebaut hat, nun auf ewig zerstört wird?

Ein wenig schon. Aber manches bleibt ja bestehen, in den Köpfen oder woanders. Wir haben immer versucht, die Sportinfrastruktur in den beteiligten Dörfern auf arabischer Seite zu verbessern. In ganz Palästina gab es bis zum Start unserer Projekte im Jahr 2002 nur einen Rasenplatz. Mittlerweile sind mit unserer Unterstützung an fast allen beteiligten Schulen wirklich passable Sportanlagen gebaut worden, die genutzt werden.

Glauben Sie, dass junge Israelis und Palästinenser bald wieder gemeinsam Fußball spielen werden?

Wir halten an den Projekten fest. Sie sind ja nur ausgesetzt und wir sind überzeugt davon, sie wieder aktivieren zu können. Dann allerdings unter anderen Startbedingungen. Derzeit entwickeln wir mit unseren 80 Trainern in Israel und Palästina passende Konzepte für einen Neuanfang. Wir sehen uns aktuell mit Ängsten, Stress, Traumata und viel Zorn der Kids konfrontiert. Wir sind also fast wieder bei null. Wir versuchen jetzt, die Teams in "neutrale", grenzfernere Gegenden in Israel zu verlegen. Aber wir wissen natürlich nicht, ob junge palästinensische Sportler dann überhaupt anreisen wollen oder überhaupt dürfen.

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