K.-o.-Sieg im Geschwisterduell

Die Eisbären und die Hamburg Freezers haben den gleichen Besitzer. Jetzt haben die Berliner die Konkurrenten aus den Play-offs geschmissen

So schnell wie das Interesse in Hamburg sank, stiegen in Berlin die Zuschauerzahlen

„Mein rechter, rechter Platz ist leer“ ist mittlerweile zum beliebten Spiel bei den Hamburg Freezers geworden. Nur 7.900 Besucher schauten am Freitagabend zu, wie die Eisbären Berlin mit 4:1 (1:1, 2:0, 1:0) die Freezers besiegten und damit aus den Play-offs warfen. Es war ein Sweep, eine perfekte Serie, die die Mannschaft um Trainer Don Jackson durch Tore von André Rankel, Denis Pederson, Tyson Mulock und Sven Felski vollendete. Gegentor: Andy Delmore.

„Es gibt Spiele, die muss man nicht so dominieren“, sagte Rankel nachher. Soll heißen: Es gibt Spiele, in denen man sich nicht so anzustrengen braucht; wie am Freitag gegen geschwächte Freezers, die zu ihrem neunten Spiel in den vergangenen zwei Wochen antraten. „Zu viele Spiele in zu wenigen Tagen“, konstatierte Hamburgs Coach Paul Gardner anschließend. So waren die Eisbären in jeder Phase das bessere Team. Hamburg spielte umständlich, verlor häufig den Puck und ließ die Eisbären vorführen, wie man im Angriff zu agieren hat: Schnell, präzise, schnörkellos zogen die Berliner Richtung gegnerisches Tor – wie ein chirurgischer Eingriff in die klaffenden Wunden der Freezers.

Diese Wunden sind durch das Ausscheiden und das schlechteste Abschneiden seit Bestehen des Klubs nicht kleiner geworden. Die Freezers, das Schwesterteam der Eisbären, das ebenso mehrheitlich dem US-Milliardär Philip Anschutz gehört, war mal das Vorzeigeprojekt eines Retortenklubs. Damals, 2002, als Anschutz dem Kufensport direkt neben dem Volksparkstadion eine neue, fast 13.000 Besucher fassende Heimat baute und sein Team von München nach Hamburg umziehen ließ, war der „Planet Ice“ eine einzige eisblaue Erfolgsgeschichte. Die schmucke Arena lockte, die Zuschauer strömten zu den Spielen. Dass dort mal ein rechter oder linker Platz leer bleiben würde – undenkbar. Doch Moden vergehen.

Das letzte Play-off-Spiel der Freezers in dieser Saison war exemplarisch für den Niedergang: Sportlich so weit entfernt von der Spitze wie noch nie – und zuschauen möchte auch kaum noch einer. Die 7.900 Besucher, die da waren, repräsentieren exakt den Zuschauerzuspruch in der abgelaufenen Saison: über 4.000 weniger als vor vier Jahren. Ein Negativrekord an der Alster. So war es am Freitag an den Eisbären, den Geldgeber zu verzücken.

Denn während in Hamburg der „Planet Ice“ schmilzt, „kennt die Entwicklung des Berliner Eishockeys nur eine Richtung – nach oben“, wie es die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung formulierte. Die Eisbären schafften das, was Ulbricht stets im Sinn hatte: Überholen ohne einzuholen. Genauso schnell wie das Interesse in Hamburg sank, stiegen in der Hauptstadt die Zuschauerzahlen. Papa Anschutz hat schließlich auch den Eisbären eine neue Halle gebaut. Fast 14.000 Zuschauer pilgerten in dieser Saison zu jedem Heimspiel in der neuen Heimat am Ostbahnhof.

Dass eine solch große Spielstätte auch zur Last werden kann, haben zuletzt nicht nur die Freezers erkennen müssen, auch in Hannover und Düsseldorf bekommen die Klubs ihre Hallen kaum zur Hälfte gefüllt. Doch die Nachhaltigkeit des Ganzen scheint bei den Eisbären größer zu sein: Es existiert ein sportliches Konzept, das seit Pierre Pagés Amtsantritt 2002 durchgezogen und von seinem Nachfolger Don Jackson fortgeführt wird. Dieses beinhaltet im Kern eine hervorragende Jugendarbeit, die viele junge Spieler in die erste Mannschaft hebt (von denen einige mittlerweile in Hamburg spielen), wo sie von Anführern wie Stefan Ustorf, Steve Walker oder Sven Felski umrahmt werden. Erfolg und Identifikation mit den Spielern – genau das fehlt in Hamburg. Das Konzept könnte bald zur vierten Meisterschaft in nur fünf Jahren führen. „Es gibt einfach nichts, was gegen sie spricht“, sagte Hamburgs Trainer Gardner nach dem Ausscheiden.

Nicht minder gut geplant scheint der Marketingfeldzug der Berliner zu sein: Die Eisbären sollen mittlerweile einen bundesweiten Bekanntheitsgrad von 61 Prozent haben – zumindest hat das der Sportrechte-Vermarkter Sportfive herausgefunden. In der Altersgruppe zwischen 14 und 69 Jahren ist die Bärenmarke aus Berlin bekannter als Bionade. Da können nur noch Fußballvereine mithalten.

Und so haben sich die Schwesterklubs innerhalb weniger Jahre auseinandergelebt, sportlich wie finanziell. Denn während die Eisbären in dieser Saison erstmals Gewinn erwirtschaften, müssen die Freezers das Sparen lernen: Der Etat wird gekürzt. Harte Zeiten auf dem „Planet Ice“. Jürn Kruse