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MEDIENKRITIK Was die Öffentlich-Rechtlichen für Sportjournalismus halten, ist reine Präsentation

BERLIN taz | Die Zeiten des Usain Bolt waren nicht nur unglaubliche Weltrekorde. Sie waren auch orgiastische Momente für Wolf-Dieter Poschmann. Der Schreihals der Nation kündigte Bolt als „den Dominator“ und „den Retter einer Sportart“ an. Und fast wirkte es, als habe er mit seinen Jubelrufen selbst ein wenig nachgeholfen.

Poschmann ist Chefreporter des ZDF-Sports. Die Sensationsgier der Masse bedienen und eine Aura des Staunens schaffen, in der Stadien bloß Bühnen der Unterhaltung sind, das kann er. Viele seiner Kollegen sind da nicht besser. Die Zeiten, in denen Tugenden wie das Fair-Play hochgehalten wurden, sind vorbei. Es geht darum, jemanden wie Bolt, der mit den Kameras spielt, hochzujubeln. Das passt den Sendern, die täglich ihre ureigenen Rekorde vermeldeten: ihre Top-Quoten.

Journalistisch aber ist das ein Trauerspiel. Poschmann hätte doch in den Minuten vor den Startschüssen erklären können, wie viele Medaillen in der Geschichte der Leichtathletik bereits aberkannt wurden, weil immer wieder Doping nachgewiesen wurde. Hat er aber nicht. Er erzählte den 6,73 Millionen Zuschauern, die Bolts 200-Meter-Show sahen, nichts von der Kritik der Weltdopingagentur am jamaikanischen Anti-Doping-Kampf. Er verschwieg dies auch, als 9,92 Millionen das 100-Meter-Finale sahen.

Das Kritische war den Kommentatoren, aber auch den Moderatoren fern. Das war bei der Tour de France zuvor noch anders, als sich Tendenzen zeigten, die die Hoffnung nährten, ARD und ZDF würden wirklich an ihren Defiziten im Sportjournalismus arbeiten. Berlin zerstört diesen Eindruck. Was im Stadion und in den Trainingslagern hinter den Kulissen geschah, drängten die Programmmacher in den quotenschwachen Vorlauf der Live-Strecken ab – oder in die Nacht, wie den Film „Geheimsache Doping“. Der lief um Mitternacht. Nur eine kleine Auskopplung fand sich im WM-Programm wieder. Ein Feigenblatt, mehr nicht.

Als die Rekorde purzelten, halfen sie, den schönen Schein des sauberen Sports aufrechtzuerhalten. Sie schickten Reporter los wie den ARD-Mann Werner Damm, der einen ehemaligen DDR-Trainer mit Dopingvergangenheit wie Werner Goldmann kumpelhaft angrinste, nachdem er seine harmlosen Fragen stellte. Am liebsten hätte er sich wohl gleich auf seinen Schoß gesetzt.

Konnten sie Unangenehmes wie die Äußerungen Robert Hartings über DDR-Doping-Opfer nicht mehr aus dem Programm fernhalten, räumten sie Funktionären die Möglichkeit ein, die Wogen zu glätten. Da durfte Leichtathletik-Präsident Clemens Prokop mehrfach seine Empörung äußern. Ein Sportlobbyist gibt den Experten.

Aber wie sagte ZDF-Mann Norbert König nach einem der raren kritischen Beiträge in seinem Programm? „Wir wollen nicht als Miesmacher dastehen, sondern uns auf die Entscheidungen des Tages freuen.“ DANIEL BOUHS

* Aus Protest gegen die Sicherheitsüberprüfungen von Journalisten berichtet die taz nicht von der Leichtathletik-WM in Berlin, doch die olympische Kernsportart soll nicht zu kurz kommen. Heute beenden wir unsere Serie.