Mir san untrainierbar!

Bayern München hat ADHS – und schuld sind die Herren Hoeneß und Rummenigge

In Stuttgart findet am Samstag ein Krisengipfel von ganz außergewöhnlicher Dimension statt. Beim Champions-League-Teilnehmer VfB Stuttgart geht es um den Job des Trainers, und Champions-League-Teilnehmer Bayern München muss unbedingt gewinnen, damit Louis van Gaal sich von dem furchtbaren Makel befreit, noch schlechter in die Saison gestartet zu sein als sein Vorgänger Jürgen Klinsmann.

Der arme van Gaal. Wie all seine Vorgänger der zurückliegenden Jahre kann einem dieser Trainer leidtun. So langsam entsteht der Eindruck, dass dieser Klub unter dem Führungsduo Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge untrainierbar geworden ist. Denn die beiden Herren sind völlig unfähig, ein Klima der Geduld zu schaffen.

Ihre Botschaft: „Wir denken von Mittwoch bis Samstag und wieder bis Mittwoch, Langfristiges ist nur in der Theorie interessant.“ Wie kaum ein anderer Klub folgt der FC Bayern den Mechanismen dieser kurzfristigen medialen Stimmungsmaschine. Ständig sind sie unter Zeitdruck, statt eine klare Strategie beizubehalten und diese auch nach Rückschlägen souverän zu verteidigen. Der FC Bayern ist ein Klub mit ADHS-Syndrom.

Auch die Transfers sind geprägt von dieser Unruhe. Ein Bundesligatrainer hat vor einiger Zeit im kleinen Kreis die These aufgestellt, dass die Münchner sich seit Jahren darauf beschränken, Einzelspieler zu kaufen, statt eine Mannschaft zu konstruieren. Jahr für Jahr verpflichtete Hoeneß die besten Spieler der Konkurrenz, große Entdeckungen in Südamerika oder Afrika aber gelangen ihm nie.

Diesen Sommer haben sie für Anatoli Tymoschuk und Mario Gomez zusammen 45 Millionen Euro ausgegeben. Und dann einen Trainer geholt, der diese Spieler gar nicht braucht. Nun muss van Gaal sich dafür rechtfertigen. Dabei macht der Holländer das einzig Vernünftige: Er baut eine Mannschaft mit Idee.

„Zwei Jahre“ Zeit brauche er, um dieser Mannschaft eine klare Fußballidee zu vermitteln, hat Louis van Gaal in dieser Woche gesagt. Am liebsten würde der Trainer den sportlichen Bereich des konzeptlosen Klubs mit einer ganzheitlichen Strategie ausstatten. Das war auch der Plan von Jürgen Klinsmann, doch der hat sich ganz schnell selbst vereinnahmen lassen von den völlig überhasteten Dynamiken des Rekordmeisters. Van Gaal hingegen versucht ernsthaft zu bremsen. Ließe sich der FC Bayern ein auf den Holländer, läge hier eine echte Chance für den Klub, aufzuschließen an die europäische Spitze, wo sportliche Kontinuität nicht nur gepredigt, sondern tatsächlich auch praktiziert wird.

Doch was spricht dagegen, zu sagen: Wir wollen wirklich etwas aufbauen und nehmen auch ein weiteres Jahr ohne Titel in Kauf? Vielleicht das seltsame Streben nach dem anachronistischen „Mir san mir!“, das ähnlich rückwärtsgewandt ist wie der Wunsch nach einer Rückkehr der Bonner Republik. DANIEL THEWELEIT