Wilde Weihnachtswünsche

BEFREIUNGSSCHLAG Nach dem torlosen Unentschieden gegen Stuttgart träumt Uli Hoeneß von der Tabellenführung des FC Bayern. Auch der VfB – vor allem Trainer Babbel – hegt neue Hoffnungen

STUTTGART taz | Weitsicht ist eine prima Sache. Kann man aber nicht lernen. Man hat sie oder eben nicht. Uli Hoeneß hat sie, natürlich. Der Bayern-Manager weiß heute schon, was unterm Christbaum liegen wird: „Wir werden noch vor Weihnachten auf Platz eins stehen“, wahrsagte er nach dem Null-null-Gerumpel beim VfB Stuttgart. Tabellenführung: ein schönes, weil zuletzt seltenes Geschenk beim FC Bayern. Doch wer weit gut sieht, hat ab einem gewissen Alter Probleme mit der kurzen Distanz. Uli Hoeneß geht das nichts anders: „Wir haben große Ziele in der Champions League. Am Dienstag müssen wir gewinnen, weil es ansonsten extrem schwierig wird, noch weiterzukommen. Deshalb bin ich auch ziemlich nervös.“

Am Dienstag entscheidet sich, in welcher Stimmung der FC Bayern die nähere Zukunft bestreitet – und in welcher Atmosphäre Hoeneß bei der Mitgliederversammlung in drei Wochen zum Präsidenten gekürt wird. Gelingt ein Sieg gegen Girondins Bordeaux, sieht es in der Champions League wieder ganz gut aus. Was wiederum einen Schub für die wichtigen Spiele in der Bundesliga gäbe, für die richtungsweisenden Heimspiele gegen die direkten Konkurrenten Schalke 04 und Bayer Leverkusen. Kein Wunder also, dass man die spielerisch enttäuschende Nullnummer gegen die darbenden Stuttgarter nicht als Rückfall werten wollte. „Ich kann leben mit dem Resultat“, sagte Coach Louis van Gaal – aber wohl weniger mit der Art und Weise, wie es zustande kam. „Wir haben nicht so viele Chancen kreiert“, analysierte der Holländer, „hatten zu viele Ballverluste in der dritten und vierten Phase.“ Und dann war da ja noch dieses Fast-Tor von Luca Toni: „Fünf Zentimeter war er im Abseits. Ich kann nicht sagen, dass es eine Fehlentscheidung war.“

Das kreative Vakuum rund um den überforderten Bastian Schweinsteiger ist ihm ebenso wenig entgangen wie Uli Hoeneß: „Ich bin keiner, der nach den Verletzten ruft“, so Hoeneß, „aber der FC Bayern ohne Franck Ribéry und Arjen Robben ist nicht derselbe Verein. Wir halten uns ganz gut ohne die beiden. Wenn sie wieder dabei sind, stehen wir bald ganz oben.“

Wo demnächst der VfB Stuttgart steht und wer dort mit wem Weihnachten feiert oder nicht, das mag derzeit auch der Weitsichtigste nicht beurteilen. Sportvorstand Horst Heldt, der mit dem latent vom Rauswurf bedrohten Trainer Markus Babbel auch noch Tür an Tür wohnt, sagte nach dem Remis: „Das ist ein Ergebnis, das mal nicht zum Trübsal-Blasen ist, auch wenn es uns nicht befreit.“ Will sagen: nicht Fisch, nicht Fleisch, eher so Magerkost.

Wie lange Stuttgarts Bosse damit leben wollen, bleibt offen. Markus Babbel wirkte jedenfalls fast erleichtert, dass die Bayern nicht gerade ihren besten Tag erwischt hatten. Und ein Rezept, wie er seinen Klub aus der Krise führen will, hat er auch schon: „Wir müssen wieder besser Fußball spielen.“ Na dann: frohes Fest! THOMAS BECKER