Salat für den Sieger

GOLF Nach fünf Monaten Pause kehrt Tiger Woods auf den Golfplatz zurück, doch er landet bei den US Masters abgeschlagen hinter seinem Landsmann Phil Mickelson, der den Sieg seiner leidgeprüften Familie widmet

„Ich habe den Ball einfach nicht getroffen. Mein Spiel wurde von Tag zu Tag schlechter“

TIGER WOODS

AUGUSTA/BERLIN taz | Es ist ein furchtbar hässliches Teil. Giftgrün ist dieses Jackett, mit angeberischen Goldknöpfen versehen und bestickt mit einem Emblem, das aus dem Textil allerdings ein Besonderes macht – eine Rarität in der Golfszene. Tragen dürfen es nur die Sieger der US Masters. Phil Mickelson hatte bereits zwei der grünen Ungetüme in seinem Kleiderschrank hängen, am Sonntagabend hat der 39-Jährige Jackett Nummer drei in Augusta überstreifen dürfen. Vorjahressieger Angel Cabrera aus Argentinien war so nett, dem US-Amerikaner hineinzuhelfen. Mickelson war überwältigt, sicherlich nicht vom modischen Chic des Green Jacket, sondern von seiner eigenen Leistung, seinem erstaunlichen Triumph, mit dem er das vorläufig letzte Kapitel einer rührseligen Geschichte würzte.

Waren die bunten Blätter in den Staaten in den vergangenen Monaten voll mit Skandalgeschichten über Tiger Woods, seine Techtelmechtel, abtrünnige Sponsoren und die reumütige Selbstbezichtigung des Superstars, so durften sie nun über den Kampf der Familie Mickelson gegen den Krebs berichten. Phil Mickelsons Frau Amy ist vor etwa einem Jahr an Brustkrebs erkrankt, seine Mutter Mary wurde wenig später mit der gleichen niederschmetternden Diagnose konfrontiert.

Mickelson hatte sich mehr schlecht als recht durch die Saison gekämpft. Er konnte keinen einzigen Sieg erringen. Mickelson kam als Außenseiter nach Augusta auf die fein säuberlich getrimmten Grüns, gesäumt von lauschigen Pinienwäldchen. In diesem bukolischen Ambiente fühlt Mickelson sich offensichtlich wohl, vielleicht kam ihm auch zupass, dass die Golfpresse wie gebannt auf den nach einer Pause von fünf Monaten zurückgekehrten Tiger Woods starrte. Wie spielt er? Wie gibt er sich? Kann er seine Ankündigung wahr machen, das prestigeträchtige Turnier im Bundesstaat Georgia zum fünften Mal zu gewinnen? Ist er noch der alte? Am Ende wurde die Skandalnudel Vierter, ein beachtliches Ergebnis, wenngleich Woods sich enttäuscht zeigte von seinem Auftritt. Vor allem beklagte er, seine Form nicht über das gesamte Turnier gehalten zu haben. Er kündigte an, sich nun wieder zurückzuziehen. Wann er wieder an der Profitour des Verbandes PGA teilnimmt, ist ungewiss. „Ich muss mir noch über ein paar Dinge klar werden“, sagte Woods.

Mickelson zelebrierte den Erfolg wie schon in den Jahren 2004 und 2006 im Kreis der Familie. Er herzte seine drei Kinder, er umarmte seine Frau. Solche Szenen waren auch von Woods bekannt, doch nimmt man von Mickelson an, dass sein Familiensinn nicht als Kulisse für diverse Seitensprünge dient. In der US-Presse, die nach Helden giert, die das Böse besiegen oder zumindest den Kampf gegen den übermächtigen Feind aufnehmen, ist Mickelson jetzt der Good Guy, Woods indessen der Bad Boy. Triumphierende Untertöne finden sich in der medialen Kakophonie über den gefallenen Star. Gern wird der Vergleich eines Kolumnisten zitiert, der auf dem Kulminationspunkt von Tigers Schaffen dichtete: Wenn Tiger das Steak ist, ist Phil der Salat. Millionen nährten sich am kalorienreichen Spiel des farbigen Profis, aber jetzt, da er mit sich und der bigotten Gesellschaft ringt, stürzt man sich auf den Salat. Die Golfszene ist, um im Bild zu bleiben, zu eingefleischten Vegetariern geworden.

Mickelson mag den Höhepunkt seiner Karriere erreicht haben, Tiger Woods ist ihm an Siegen und an Preisgeld immer noch weit voraus. Woods hat auf der PGA Tour 71-mal gewonnen und dazu 14 Major-Turniere, Mickelson hat 37-PGA-Tour-Siege zu Buche stehen und drei Major-Titel. Es bleibt rein faktisch eine Kluft, doch in den Bereichen, die den Marktwert eines Profisportlers, zumal eines amerikanischen, bestimmen, liegt Mickelson derzeit meilenweit vorn: Image, Glaubwürdigkeit, Satisfaktionsfähigkeit. Die Sponsoren und die Medien werden sich jetzt auf ihn stürzen, den Repräsentanten des guten, alten Amerika.

MARKUS VÖLKER