WARUM TOMAS BERDYCH KEINE CHANCE HAT
: Bregenklüteriger Tscheche

über Tennis in der Literatur

Andreas Rüttenauer

Tomas Berdych ist einer der besten Tennisspieler auf diesem Planeten. In der aktuellen Weltrangliste wird der Tscheche auf Platz sieben geführt. Im vergangenen Jahr war er für kurze Zeit ziemlich berühmt. Er war es, der Roger Federer im Viertelfinale vom Wimbledon besiegte und so den siebten Sieg des Schweizers in London verhinderte. Das ist gewiss nicht schlecht. Aber reicht das, um Eingang zu finden in die Belletristik? Die Zeiten für Tennis in der deutschen Literatur waren gewiss schon einmal besser.

„In seinem Schlagarm, längst so dünn wie der andere, steckt keine Kraft mehr, geradezu lächerlich ist dieser Arm, den eine Hostess in Stockholm, Karen?, nach dem Achtelfinale, 3:6, 4:6 gegen Mecir, am liebsten verspeist hätte.“ Diesen Satz hat Bodo Kirchhoff 1993 in seiner Novelle „Gegen die Laufrichtung“ geschrieben. Es war die Zeit, in der Tennis sehr lebendig war in Deutschland. Boris Becker spielte noch. Ende 1992 gewann er den Titel bei der ATP-Weltmeisterschaft. Mecir. Auch den kannte man. Miloslaw Mecir aus der Tschechoslowakei, 1986 Olympiasieger, gilt als einer der begabtesten, aber auch trainingsfaulsten Profis in der Tennisgeschichte. Mecir. Kirchhoff konnte sich 1993 darauf verlassen, dass seine Leser den Namen des vollbärtigen Slowaken, der 1986 im Halbfinale der US Open Boris Becker mit einem Holzschläger besiegt hatte, kennen würden.

Der, dessen Schlagarm so schwach geworden ist, ist ein entlassener Strafgefangener, der einen Mann erstochen hat. Kirchhoffs Novelle spielt in dem Café, in dem die Tat stattgefunden hat. Da sitzt der Mann jetzt und macht sich so seine Gedanken. Weil er früher Tennisprofi war, einmal sogar das Finale der Australian Open erreicht hat, denkt er auch viel über seine Karriere nach. Vor allem über seine Niederlagen. Eine ist die gegen Miloslaw Mecir in Stockholm, 3:6, 4:6. Mecir war jemand in Deutschland. Berdych kann nie einer werden. Dazu ist Tennis zu tot hierzulande. Es hat kaum Gegenwart, und eine große Zukunft traut dem Sport niemand zu.

Wie die Zukunft des Tennis aussehen könnte, darüber hat David Foster Wallace, der US-Schriftsteller, der sich 2008 umgebracht hat, geschrieben. Sein Roman „Infinite Jest“ ist 1996 erschienen, zu einer Zeit, in der Tennis noch lebte in Deutschland. Die deutschsprachige Übersetzung „Unendlicher Spaß“ erschien indes erst 2009. Dass ein Großteil des Romans in einer Tennisakademie spielt, wirkte da in Deutschland längst skurril. Wenn jetzt schon kaum einer mehr Tennis spielt, warum sollten die Leute das dann im gesponserten „Jahr der Inkontinenz-Unterwäsche“ irgendwann in nicht ganz ferner Zukunft tun? Warum gibt es da noch Juniorenspieler, die uralte Rekorde brechen? Die eines Ivan Lendl etwa, dessen Erwähnung auch in der deutschen Übersetzung des Romans funktioniert. An ihn erinnern sich auch in der Zeit des Ablebens des Tennisspiels in Deutschland zumindest noch die sportinteressierten Menschen. Im „Unendlichen Spaß“ wird ein Juniorenrekord erwähnt, aufgestellt von einem „bregenklüterigen jungen Tschechen namens Lendl, der lange vor Einführung der Sponsorenzeit aus der Show ausschied und sich das Leben nahm“. Lendl geht also gerade noch. Aber Berdych, nein, der hat wirklich keine Chance.

Einer der größten Tennisromane der Literaturgeschichte kommt ganz ohne den Namen eines real existierenden Sportlers aus. Witold Gombrowicz’ „Die Besessenen“ aus dem Jahre 1939 spielt auf einem heruntergekommenen Gutshof, in edlen Hotels und diversen mehr oder weniger gut besuchten Tennisklubs in Polen. „Die Partie ging unbemerkt in eine jener besonderen, elementaren Begegnungen über, die Spieler und Zuschauer in gleicher Weise berauschen“, heißt es an einer Stelle im Roman. Großes Tennis aus einer Zeit, in der der Sport hierzulande noch gar nicht richtig gelebt hat: „Er tötete ihren Aufschlag mit einem untrüglich genau in die Ecke geschlagenen Drive, der das erste Spiel für ihn entschied.“