Falscher Fisch

SCHACH-SKANDAL Ein US-Programmierer verliert vier WM-Titel, weil er sein Spiel heimlich aufmotzte

Die Vergleiche sind drastisch. „Das ist wie der positive Dopingtest des kanadischen Sprinters Ben Johnson 1988“, heißt es auf der Webseite Chessvibes. Deutsche Schachspieler dürfte die Sache eher an die Guttenberg’sche Plagiatsaffäre erinnern, die als „Googleberg“ in die Annalen eingegangen ist. Im vorliegenden Fall ging es um eine Schummelei bei der WM der Schach-Programme. Bei dieser WM spielen die Programme quasi gegen sich; ein paar menschliche Helfer rücken die Schachfiguren auf dem Brett nach Computeranweisung. Der vermeintlich beste Programmierer der vergangenen Jahre war Vasik Rajlich mit seinem Programm „Rybka“, mit dem er vier WM-Titel gewonnen hatte. Die wurden ihm nun aberkannt.

Die International Computer Games Association (ICGA), die die WM ausrichtet, sprach den US-Amerikaner mit tschechischen Wurzeln schuldig: Rajlich hat laut ICGA-Präsident David Levy von den Programmen „Fruit“ und „Crafty“ Programmcodes übernommen, ohne dies zu kennzeichnen. Die Kopiererei wäre bei Quellenangabe durchaus statthaft gewesen. Allerdings hätten die Klone dann kostenlos angeboten werden müssen. Rybka, was kleiner Fisch bedeutet, ging freilich als bissiger Hai unter den Schachprogrammen kommerziell erfolgreich auf Raubzug. Auch deswegen haben 14 andere Programmierer die ICGA aufgefordert, den Fall zu untersuchen.

Die Großmeister der gestern gestarteten Dortmunder Schachtage sehen die Affäre gelassen. Vorjahressieger Ruslan Ponomarjow sagt: „Ich habe schon vor dem Ausschluss andere nichtkommerzielle Programme genutzt. Sie müssen den Vergleich mit Rybka nicht scheuen“, urteilt der Exweltmeister aus der Ukraine. Rajlich selbst zeigte sich verwundert, dass erst „viereinhalb Jahre nach Einführung von Rybka 1“ Sanktionen verhängt würden, obwohl er häufig mit anderen die Einbindung von Fruit-Teilen „transparent diskutiert und eingeräumt“ habe. Außerdem hätten die Programm-Teile nichts mit der Spielstärke der aktuellen, vierten Version zu tun. Rajlich wehrt sich dagegen, als Einziger an den Pranger gestellt zu werden, da jeder derlei Code-Allgemeingut verwende. „Wenn die ICGA diese Diskussion anfängt, öffnet sie die Büchse der Pandora.“ Der Publicity für seinen „kleinen Fisch“ gewinnt der Amerikaner aber durchaus einen Vorzug ab: „Ich verzeichnete zuletzt einen netten Anstieg der Verkäufe.“ HARTMUT METZ