Raus mit Ricardo

KORRUPTION Immer mehr Brasilianer wehren sich gegen den Fußballpaten Teixeira und dessen Tun

PORTO ALEGRE taz | Brasiliens Fußballfans proben den Aufstand, denn allzu schamlos geht es im Vorfeld der WM 2014 zu. Der geballte Unmut über soziale Verwerfungen, die Milliardengeschäfte von Baufirmen, die Bevormundung durch den Mediengiganten Globo und die Willfährigkeit der Politik konzentriert sich dabei auf einen Mann: Ricardo Teixeira, den skandalumwitterten Chef des nationalen WM-Organisationskomitees; den brasilianischen Fußballverband CBF leitet er seit 1989.

Während der heutigen Auslosung der Gruppen für die WM-Qualifikation in Rio finden gleich mehrere Proteste statt. 20 Basisorganisationen prangern die Zwangsumsiedlungen tausender Familien allein in Rio an. Das Umfeld der Stadien, Stadtzentren und Zufahrtswege soll aber auch in den anderen elf Austragungsorten von armen Brasilianern „gesäubert“ werden. Gegen Teixeira wird freilich gesondert demonstriert.

Seit letzter Woche läuft die Internetkampagne „Raus mit Ricardo Teixeira“ auf Hochtouren. Auf Twitter gehört das Thema zu den brasilianischen Topthemen. Als die Macher des sozialen Netzwerks das entsprechende Schlagwort zensierten, wurde flugs ein Ersatz organisiert.

Vor zehn Jahren schien Teixeiras Position als oberster Pate des brasilianischen Profifußballs durchaus gefährdet: Eine parlamentarische Untersuchungskommission erarbeitete einen detaillierten Bericht über die Machenschaften Teixeiras und ähnlich düsterer Gestalten an der Spitze der Proficlubs. Der Wahlsieg von Luiz Inácio Lula da Silva im Oktober 2002 gab den Hoffnungen auf gründliche Reformen auch im Fußballbetrieb zusätzliche Nahrung.

Doch bald hatte der frühere Schwiegersohn des greisen Strippenziehers João Havelange den Präsidenten bezirzt. Im August 2004, kurz nachdem Brasilien die Führung der UN-Blauhelme in Haiti übernommen hatte, trat die Seleção zu einem umjubelten „Friedensspiel“ in Port-au-Prince an. Hand in Hand brachten Teixeira und Lula die erfolgreiche WM-Bewerbung Brasiliens über die Bühne. Auf öffentliche Mittel werde man verzichten, behaupteten Teixeira und der damalige Sportminister nach dem Zuschlag 2007.

Nun passiert genau das Gegenteil, und das nach erprobtem Muster: Dank jahrelanger Tändelei ist der Rückstand bei Renovierung oder Neubau der WM-Stadien enorm. Eine Kostenexplosion ist die Folge. In São Paulo gehen die Bauarbeiten für eine neue Arena erst jetzt los – letzte Woche sagten Stadt, Land und Bund Steuernachlässe, Zuschüsse und Kredite in Höhe von umgerechnet 400 Millionen Euro zu.

Teixeira ficht das nicht an. Einer Reporterin des Monatsmagazins Piauí erlaubte er tiefe Einblicke in sein Innenleben. Er „scheiße“ auf die Medienkritik, sagte er. Teixeiras Selbstsicherheit scheint berechtigt: Die Allianz zwischen CBF, Globo und der jeweiligen Bundesregierung funktioniert seit den Anfangsjahren der Militärdiktatur in den frühen sechziger Jahren.

So fangen die Spitzenspiele der brasilianischen Liga, der Copa Libertadores und selbst der Copa América grundsätzlich erst um 21.45 Uhr brasilianischer Zeit an – nach der quotenbringenden Globo-Soap. Für die Qualifikationsshow in Rio zahlt die Fifa gut 13 Millionen Euro an die Globo-Tochter Geo Eventos. Geht es nach den Fifa-Bossen, soll die Firma auch die Organisation der WM-Fanmeilen übernehmen.

„2014 kann ich alle möglichen Boshafigkeiten begehen“, tönt Teixeira, „ich kann Akkreditierungen verweigern, den Zugang verbieten, die Spielzeiten verändern. Und weißt du, was passieren wird? Nichts. Weißt du, warum? Weil ich erst 2015 gehe.“

GERHARD DILGER