Stabhochsprung der Frauen: Die Beste ist nicht gut genug

Silke Spiegelburg wird erneut Deutschlands Beste im Stabhochsprung – und ist enttäuscht. An den Weltrekord von Jelena Issinbajewa kommt sie nicht heran.

Eigentlich "in Topform", trotzdem "katastrophal": Trainer Klima über Silke Spiegelburg Bild: imago / Chal v. d. Laage

KARLSRUHE taz | Viel zu sehen war dann nicht mehr von Silke Spiegelburg, letztendlich war nur noch ein Knäuel von ihr übrig geblieben. Ganz tief in einen hellbraunen Teppich hatte sich die blonde Stabhochspringerin des TSV Bayer Leverkusen vergraben, minutenlang saß sie so auf dem grünen Tartan der Karlsruher Europahalle, gleich neben der Stabhochsprunganlage.

Die 25-Jährige war gerade deutsche Meisterin in der Halle geworden, zum zweiten Mal erst in ihrer Karriere, aber freuen, das war leicht zu erkennen, konnte sie sich darüber nicht.

Das hellbraune Teppichknäuel signalisierte eher Frust und Enttäuschung, auch als Spiegelburg aus diesem wieder herausgeklettert war, war das zu sehen: an ihrem Blick, an ihren Gesten, eigentlich an allem, was sie anschließend tat oder sagte, der Grund dafür leuchtete noch immer auf der Anzeigetafel: 4,57 Meter waren dort hinter ihrem Namen notiert. Das ist prinzipiell und national gesehen nicht gänzlich schlecht, für Spiegelburg aber bei weitem nicht gut genug.

Mitte Januar hatte sie in Leverkusen ihre persönliche Bestleistung und mit ihr den deutschen Hallenrekord auf 4,77 m geschraubt, erst vor zwei Wochen war sie ebenfalls in Karlsruhe an 4,78 m nur knappest gescheitert. Ähnlich hoch, am besten sogar noch höher, sollte es auch am Samstag bei den deutschen Meisterschaften gehen.

Nachvollziehbar also, dass der Groll über 4,57 m nun um so tiefer saß, zumal damit die Generalprobe für die Hallenweltmeisterschaften in zwei Wochen in Istanbul ziemlich gründlich in die Hose gegangen war. Mit 4,78 m springt man dort um die Medaillen mit, mit 4,57 m gibts nicht mal Blech. "Ich hoffe, dass es bei der WM besser läuft. Vielleicht bringt es ja etwas, wenn ich die Generalprobe vergeigt habe", sagte Spiegelburg entsprechend. Auch den Grund für ihr dreimaliges Scheitern an den aufgelegten 4,67 m am Samstag glaubte sie erkannt zu haben: "Zum Schluss hat es mit dem Anlauf nicht geklappt", stellte Spiegelburg fest.

Unerreichbare Sphären

Leszek Klima, Spiegelburgs Trainer, sah das ähnlich. "Losgelaufen wie verbrannt", so hatte er es von der Tribüne aus beobachtet, sei sein Schützling. Die Folge: "Eine sinkende Geschwindigkeit" vor dem Absprung und mit ihr der Zusammenbruch des ganzen Sprungsystems, das ein hochkomplexes ist. Zweimal bei ihren Versuchen über 4,67 m hob Spiegelburg erst gar nicht ab, einmal riss sie deutlich. "Eigentlich katastrophal" nannte der Trainer die Flugversuche - und das, obwohl die 25-Jährige sich "eigentlich in Topform" befinde.

Und weil Leszek Klima so ziemlich alles über das hohe Springen mit Hilfe von Stäben weiß, wusste er auch, warum dem so war, ein bisschen hatte er es sogar vorhergesehen, um nicht zu sagen: befürchtet. "Vielleicht hat sie der Weltrekord ein bisschen durcheinander gebracht", tat Klima seine Befürchtungen am späten Samstagabend kund, also jene 5,01 m, die die Russin Jelena Issinbajewa am späten Donnerstagabend in einer Halle in Stockholm überflogen hatte.

Über zwei Jahre war die Königin des Stabhochsprungs, die mit 5,06 m, gesprungen im August 2009, auch im Freien den Weltrekord hält, verwundbar gewesen, also schlagbar. Nun schwebt sie wieder in anderen, für den Rest der Welt bis auf Weiteres unerreichbaren Sphären. Gerade in einem Jahr, in dem im Sommer Olympische Spiele stattfinden, kann das die Konkurrenz auch lähmen. Im Prinzip geht es in London und natürlich auch bei der anstehenden Hallen-WM in Istanbul ab sofort nicht mehr um Gold, sondern nur noch um Silber und Bronze.

"Sie wollte zu viel"

Natürlich hat Silke Spiegelburg das am Samstag so drastisch nicht formuliert. Von und über Issinbajewa gesprochen aber hat sie schon. "Dass Jelena wieder so hoch gesprungen ist, wundert mich nicht. Ich kenne die Konkurrenz, die stark ist", hat sie gesagt. Aber auch angefügt: "Ich weiß, dass ich da mitspringen kann."

Am Samstag in Karlsruhe war, so vermutet es Leszek Klima, genau das das Problem. "Sie wollte beweisen, dass sie auch hoch springen kann", stellte Spiegelburgs Fluglehrer fest: "Sie wollte zu viel." Vor allem "im Kopf" müsse er seinen Schützling nun aufbauen, gerade im Hinblick auf die anstehende Hallen-WM.

"Ich werde ihr die vielen positiven Sachen in Erinnerung rufen, die sie in diesem Jahr bei ihren Sprüngen schon gezeigt hat und versuchen, ihr zu vermitteln, dass alles nach Plan läuft", tat Klima kund. Den Samstag von Karlsruhe sollte er dabei besser unerwähnt lassen.

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