Zur Bebilderung dieser Beilage

Mal gespannt, wie es unseren Lesern geht, wenn sie die Illustrationen unserer Literaturbeilage betrachten. Ich muss ja zu meiner Schande gestehen, dass ich erst bei „Lord Chatterley’s Lover“ stutzig wurde. Was mir doch zu denken gab. Denn selbstverständlich habe ich „Lover“ mit Liebhaber übersetzt. Was bedeutet es, dass mich erst die Affäre unter Männern darauf bringt, dass hier etwas nicht stimmt? Insgeheim homophob? Oder insgeheim so am Mann als Maßstab aller Dinge orientiert, dass mich der simple „Frauentausch“ auf den anderen Covern nicht irritieren kann? Weil ich, wie alle Welt, Frauen einfach übersehe? Oder lag’s womöglich am Cover selbst, das eine längere Betrachtung geradezu erzwingt? Nicht ohne guten Grund hat Daniela Comani die auffällig interessante und gelungene Ausgabe der Grove Press als Motiv der Einladungskarte ihrer Berliner Galerie-Ausstellung bei Laura Mars gewählt.

Dort, im Ausstellungsraum, aber auch in dem gerade als Nr. 78 der Edition Patrick Frey erschienenen Bildband „Neuerscheinungen, hrsg. von Daniela Comani“ (Zürich 2009, 104 Seiten, 24 Euro) entpuppen sich die 51 Fotografien berühmter Buchausgaben von Klassikern der Weltliteratur als eine ausgesprochen vielschichtige Konzeptarbeit. Da ist zunächst einmal der künstlerische Eingriff in die soziale und historische Ordnung, den der Kunstkritiker Ludwig Seyfarth sehr treffend als „angewandte Gender-Forschung“ beschreibt, weshalb nun die „Schwestern Karamasow“, „Monsieur Bovary“ oder „The Old Woman and the Sea“ zu entdecken sind. Und da ist zum anderen die – wenn auch etwas verdrehte – Erinnerung nicht nur an einen vergangenen bildungsbürgerlichen Literaturkanon, sondern auch an die Kunst des Büchermachens selbst, die Kunst der Buchgestaltung, der Illustration und der Typografie. Und da ist, last not least, der Verweis auf die Kunstgeschichte, wenn Daniela Comani Flauberts „Madame Bovari“, die bei ihr ja nun ein Herr Bovari ist, einen kleinen Schnurrbart gibt, ganz in der Art, wie ihn einst Marcel Duchamp der Mona Lisa verpasst hat.

Und weil sich die Ebenen in der Fotoserie der 1965 in Bologna geborene Künstlerin so elegant verschränken, freut man sich mal an der absurden Gerechtigkeit, die uns Frauen auf den Romantiteln wiederfährt; mal an den Buchumschlägen, die einen zum Teil noch als alte Bekannte begrüßen; mal an der Perfektion, mit der Daniela Comani die alte Typografie und das berühmte Erscheinungsbild rekonstruiert hat. Selten wurde der Einspruch gegen das Herausfallen der Frau aus Geschichte und Kanon so lebendig, amüsant und überraschungsreich formuliert.

Allerdings zeigt Daniela Comani schon immer ein Talent für komplexe Leichtigkeit. Mit einem simplen „Ich war’s“ blamierte sie die herrschende Geschichtsschreibung in ihrem 2005 beim Revolver-Verlag erschienenen Tagebuch. Oder sie fotografierte sich von 2003 bis 2005 als Mann & Frau und inszenierte mit diesem Paar „Eine glückliche Ehe“. Herr und Frau Comani verkörperten das Ideal absoluter Harmonie in der heterosexuellen Lebensgemeinschaft dabei so perfekt, dass es schon wieder perfide war. Umso mehr, als das schöne Paar wirklich interessierte. Denn dank ihrem, mit größter Sorgfalt erarbeiteten Paarporträt formulierte Daniela Comani den ideologiekritischen Einspruch mit höchster ästhetischen Raffinesse.

BRIGITTE WERNEBURG