UND DER „ZUG DER ERINNERUNG“ FÄHRT DOCH
: Die Kinderdeportationen der Bahn

Seit ein paar Tagen rollt auf deutschen Schienen nun der Zug, der als mobiles Museum an die Mitschuld damaliger Reichsbahnführer an den Deportationen jüdischer Kinder und Jugendlicher in der NS-Zeit erinnert – und niemand regt sich mehr auf. Jahrelang versuchte Bahnchef Mehdorn selbst, diese schmerzhafte Schau zu verhindern, zumindest in Bahnhöfen. Dass sie nun doch auf den Schienen ist, wenn auch nur auf Nebengleisen und etwas abseits, ist ein Erfolg engagierter Bürgerinnen und Bürger. Doch die Frage bleibt: Woher kam der hartnäckige Widerstand?

Die Deutsche Bahn AG – ihr Name sagt es – ist ein urdeutsches Unternehmen, ein halbstaatliches zudem. Viele traditionsbewusste Bahner, von denen einige schon in zweiter, dritter Generation bei der (Reichs-)Bahn arbeiten, wollten wohl gern verdrängen, wie ihre Väter und Großväter mithalfen beim Millionenmord. Zur Erinnerung: Die Deportationszüge rollten noch, als es für Rüstungstransporte an die Front schon keine Kapazität auf dem Schienennetz mehr gab. Der Widerstand der Bahner gegen die Erinnerung an diese schreckliche Familien- und Firmengeschichte war vermutlich hart. Denn: Opa war doch kein Nazi, oder?

Dazu kam ein kurzsichtiges Verständnis von Public Relations, wie Mehdorn sie pflegt: Einige große Unternehmen – etwa die Dresdner Bank oder Volkswagen – haben schon vor Jahren ihre NS-Geschichte historisch aufarbeiten lassen. Auch diesen Konzernen fiel dies schwer. Insgesamt aber hat es ihnen kaum geschadet. Sicherlich, ihr Vorteil war, dass die Ergebnisse dieser Studien meist nur in dicken Büchern landete, statt auf Rädern durch die Republik zu fahren. Moderne PR aber setzt auf Dialog und Offenheit im Kontakt mit der Öffentlichkeit, nicht auf Verdrängung und Vertuschung. Wie schief Letzteres gehen kann, zeigte jüngst der Kommunikationsreinfall bei Vattenfall.

So ist der Schau viel Aufmerksamkeit zu wünschen – und eine wirkliche Förderung durch die Bahn. Vielleicht schafft sie ja dann auch etwas, was die Bahn derzeit so sehr braucht: ein Kundenvertrauen, das in Ehrlichkeit gründet. PHILIPP GESSLER