Kommentar Terrorprozess: Ein Richter verheddert sich

Das Düsseldorfer Urteil stützt sich auf einen großen Lauschangriff. Dabei ist unklar, ob sich die Ermittler an Karlsruher Vorgaben gehalten haben.

Richter Ottmar Breidling vom Oberlandesgericht Düsseldorf ist ein Hardliner. Er fordert gern schärfere Gesetze zur Kriminalitätsbekämpfung. Auch gestern nutzte er das Urteil gegen Mitglieder einer deutschen Al-Qaida-Zelle und kritisierte, dass der große Lauschangriff nur noch ein "eher stumpfes Schwert" darstelle. Schuld sei das Bundesverfassungsgericht, das Anfang 2004 Einschränkungen gefordert hat. Doch seltsam - zugleich stützte der Richter sein Urteil im Wesentlichen auf einen großen Lauschangriff - der nach dem Karlsruher Urteil durchgeführt wurde. Wer irrt nun: der Rechtspolitiker oder der Richter Breidling?

Das Verfassungsgerichtsurteil vom März 2004 ärgert viele Polizisten und Juristen. Es verbietet das Abhören von Wohnungen, wenn anzunehmen ist, dass die Gespräche den "Kernbereich privater Lebensgestaltung" betreffen. Gespräche mit der Familie oder mit engen Freunden dürfen deshalb nicht aufgezeichnet werden - es sei denn, es gibt Indizien dafür, dass über Straftaten gesprochen wird. "Wir sind keine Hellseher, woher sollen wir vorher wissen, was gesprochen wird", kritisieren viele Ermittler. Die Zahl der Lauschangriffe auf Wohnungen - eh nie sehr hoch - ging in der Folge drastisch zurück. Der grummelnde Innenminister Schäuble sprach schon von "totem Recht".

Von wegen. Die Mainzer Wohnung von Ibrahim Mohamed K. wurde ab Herbst 2004 150 Tage lang rund um die Uhr präventiv abgehört. Das rheinland-pfälzische Polizeigesetz war zwar erst nach dem Lauschangriff an die Vorgaben aus Karlsruhe angepasst worden, doch die Polizei versichert, man habe sie bereits strikt beachtet.

Nun gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder die Karlsruher Vorgaben sind doch praktikabel, oder die Mainzer Polizei hat geschummelt und auch offensichtlich private Situationen mitgeschnitten. Dann hätte Richter Breidling aber ein größeres Problem, weil die Erkenntnisse aus dem Lauschangriff möglicherweise nicht verwertbar gewesen wären. Die Revision vor dem Bundesgerichtshof kann für den schneidigen Richter ungemütlich werden, so oder so.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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