Diesseits und jenseits des Rheins

betr.: „Paradies mit strengem Lehrplan“, „Lebhafte Kinder, böse Blicke“, taz vom 14. 1. 08

Erst haben wir uns mächtig über den haarsträubend klischeehaften Artikel von Bernhard Pötter über seine Erlebnisse mit der Kindererziehung in Frankreich geärgert, dann setzt die Leserin Frau Thieme-Eitel dem Ganzen eine Krone auf und erklärt ihren persönlichen Urlaubsboykott gegen die „französische Lebensart“.

In seinem Artikel verallgemeinert Bernhard Pötter seine Erlebnisse, die er in einem ganz spezifischen Kontext macht, und erhebt sie zu einer nationalen, weil „deutschen“ Sichtweise auf das „Paradies mit strengem Lehrplan“. Und so erfährt der Leser auch nur aus kaum dechiffrierbaren Andeutungen, in welchem sozialen Kontext sich Pötter bewegt: den bürgerlichen Vororten von Paris, in denen eine oft streng katholische, auf jeden Fall aber sehr begüterte Oberschicht lebt (daher vermutlich dann auch die vielen kinderreichen Familien, zu deren Kreisen man dann eben „nicht dazugehört“). Im populären Belleville, in einem Arbeitervorort im Nordosten und selbst im linksalternativ-bürgerlichen 11. Arrondissement hätte Herr Pötter ganz andere Erfahrungen gemacht!

Immerhin verweist er darauf, dass sein eigenes Familienmodell des „neuen Vaters“ auch hierzulande nicht zum Normalfall gehört, dennoch bedient er gerne die nationale Stereotypenkiste, bis hin zum aus der französischen Krippe kommenden parfümduftenden Jungen oder den geschniegelten Mädchen, die noch mit Röckchen und Lackschuhen über den Spielplatz spazieren.

Nun ist nicht zu leugnen, dass sich Erziehungsstile dies- wie jenseits des Rheins unterscheiden, die gut ausgebildeten, besser bezahlten französischen Kindergärtnerinnen oft einen etwas geregelt „schulhafteren“ Umgang mit den Kindern pflegen. Doch sind dabei die Unterschiede von einer zur anderen Einrichtung markant, nicht anders eigentlich als hierzulande. JAKOB VOGEL, Berlin

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