Kommentar Kenia: Musterland in Brand

In Kenia gibt es die Chance, mit neutralen Eingreiftruppen die Krise zu bewältigen. OAU oder EU sollten sinnlose Missionen zu Gunsten eines Einsatzes in dem Land aufgeben.

Die Konflikte in Kenia haben eine neue, gefährliche Stufe erreicht. Anfang Januar ging es der Opposition zunächst um die Wahlfälschung durch Präsident Mwai Kibaki. Ihre Proteste wurden gewaltsam niedergeschlagen, woraufhin organisierte Milizen aus der Opposition nahestehenden Völkern begannen, systematisch Mitglieder von Kibakis Kikuyu-Ethnie zu vertreiben. Jetzt hat die zweite Runde begonnen: Kikuyu-Milizen schlagen zurück, die andere Seite weitet ihre Angriffe aus. Die Politiker geben sich machtlos oder ungerührt. Kenia brennt, und seine Führungsschicht schaut zu.

Überlegungen, die Krise durch einen Machtausgleich zwischen Volksgruppen und einer Vertretung aller Ethnien in der Regierung zu lösen, führen in die Irre. In Kenias Konflikt gibt es keine klaren Trennungen zwischen traditionell mächtigen und traditionell unterdrückten Gruppen. Vielmehr gibt es ständig wechselnde Allianzen von Machthabern, die ihre jeweiligen Volksgruppen mit Patronage hinter sich scharen. Den ethnischen Faktor in der Politik zu stärken würde dieses zutiefst korrupte System noch weiter festigen. Vielmehr muss es darum gehen, Kräfte zu stärken, die sich der Manipulation und der Aufhetzung entgegenstellen. Das ist aber ein langfristiges Projekt.

Jetzt muss es unmittelbar um die Rettung von Menschenleben gehen. Die Entsendung von Eingreiftruppen, die sichere Zonen schaffen und Milizen entwaffnen, könnte jetzt hilfreich sein. Dieses Konzept scheitert in vielen Bürgerkriegsländern ohne funktionierenden Staat - aber so weit ist Kenia noch nicht, und es gibt einen dringenden Bedarf an neutralen, starken Ordnungskräften.

Wie wäre es, wenn die Afrikanische Union, deren Staatengipfel in wenigen Tagen beginnt, ihre verfehlte Intervention in Mogadischu auf Nairobi umlenken würde? Oder wenn die Europäische Union ihre sinnlose Tschad-Truppe stattdessen ins kenianische Rift Valley fliegt? Für viele Menschen in Kenia, das sich gerne als das fortschrittlichste Land Ostafrikas sieht, wären solche Überlegungen empörend. Vielleicht müssen sie gerade deswegen laut gestellt werden. DOMINIC JOHNSON

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