Kommentar Union nach der Hessenwahl: Aufgeklärter Patriotismus gesucht

Islamkonferenz und Integrationsgipfel waren große Schritte nach vorn. Doch die Union muss auch die deutsche Provinz dazu bewegen, ihre Gemeinsamkeiten mit Migranten zu entdecken.

In der CDU rumort es, nicht nur der verlorenen Hessenwahl wegen: die Union sucht nach einer Haltung zur Realität eines Einwanderungslands. Ein liberaler Nationalismus hat, aus historischen Gründen, hierzulande keine Wurzeln schlagen können wie in anderen Ländern. Das Nationalgefühl hat hier keine feste Adresse: es versteckt sich mal unter dem Mäntelchen des Antiamerikanismus, mal unter islamkritischer Rhetorik.

Die Union will auch für heimatverbundene, nationalgesinnte Menschen eine Heimat bieten. Oft fühlen sich diese als Fremde im eigenen Land. Die Zuwanderung nach Deutschland hat dieses Gefühl noch verstärkt und zu Debatten geführt, die sich um Minarettenlängen drehen. Überfremdungsängste sind da. Doch es ist weitaus gefährlicher, sie zu verdrängen, als sie offen zu thematisieren.

Die Union gibt auf diese Fragen widersprüchliche Antworten. Integrationsgipfel und Islamkonferenz waren große Schritte nach vorn. Doch eine Ansprache nur in eine Richtung hilft nicht weiter. Denn der Aufnahmewillen der Einheimischen wurde bislang kaum thematisiert.

Es wäre schon ein großer Schritt, wenn die deutsche Provinz und die Zuwanderer ihre Ähnlichkeiten entdeckten - es sind dieselben Schwierigkeiten, Verhaltensmuster, ähnliche Probleme. Denn sind die gewaltbreiten jungen Männer fremdländischer Herkunft in den Großstädten wirklich so ganz anders als ihre Altersgenossen in der deutschen Provinz, die Jagd auf fremdaussehende Menschen machen? Eine Politik, die die einen gegen die anderen ausspielt, versagt auf der ganzen Linie. Sie gibt den zivilisatorischen Grundkonsens der Bürgergesellschaft auf und öffnet den ethnischen Auseinandersetzungen Tür und Tor.

Sowohl die deutsche Provinz als auch die Zuwanderer brauchen Anerkennung. Eine Debatte über das, was dieses Land zusammen hält, tut Not. Doch fehlt ihr ein kosmopolitischer Zungenschlag, führt dies geradewegs in den Mief des Provinzialismus. Es ist richtig, diese Frage braucht einen gesellschaftlichen, parteiübergreifenden Konsens. Doch gibt es einen Konsens in den Unionsparteien darüber?

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