Kommentar türkische Zeitungen: Nichts als Gespenster

Die ständigen Berichte über ungeklärte Brände setzen die Türkische Gemeinde in Deutschland unter Druck.

Wer in diesen Tagen die hiesigen türkischen Zeitungen liest, der muss sich in die frühen Neunzigerjahre zurückversetzt fühlen, als die Brandanschläge von Mölln und Solingen die Republik erschütterten. "17 Brände innerhalb von 23 Tagen", die von Deutschtürken bewohnte Häusern betrafen, hat zuletzt die Hürriyet gezählt. Nur der Fall in Marburg hat davon allerdings einen offenkundig rechtsextremen Hintergrund. Die Ursachen der anderen Brände - wie dem dramatischen Feuer von Ludwigshafen, bei dem neun Menschen starben -, sind ungeklärt, eine rechtsextreme Tat aber unwahrscheinlich. Doch das hindert die türkischen Blätter nicht daran, das Gespenst einer rassistischen Attentatserie an die Wand zu malen.

Die ständigen Berichte über ungeklärte Brände setzen die Türkische Gemeinde in Deutschland unter Druck. Ihr Vorsitzender Kenan Kolat trat nun die Flucht nach vorn an, indem er ein Fünf-Punkte-Papier vorlegte, das zum Teil altbekannte Forderungen enthielt. Manche davon, etwa nach einer Einstellungsquote für Migranten im öffentlichen Dienst, sind diskussionswürdig. Andere, wie die nach einem neuen Schulfach "Interkulturelles Lernen", fallen eher unter die Kategorie "gut gemeint". Sicher ist, dass der deutsche Staat von sich aus mehr für die Teilhabe seiner Einwanderer tun muss. Ob man das dann "Integration" oder lieber "Partizipation" nennt, ist dann sekundär.

Geradezu rührend allerdings ist der Wunsch nach einem "Ehrenkodex", an den sich Politiker künftig bitte schön halten sollen, um "Stimmungsmache gegen Minderheiten" zu vermeiden. Das ist natürlich auf Roland Koch gemünzt. Richten sollte man die Kritik der "Stimmungsmache" aber auch an jene türkischen Zeitungen, die schon seit Wochen mit ihrer unseriösen und verantwortungslosen Berichterstattung die Ängste und Empörung ihrer Leserschaft schüren. Die Art, wie hier Gerüchte und Vorverurteilungen als Fakten präsentiert werden, sind ein Fall für den Presserat. Wenn sich dieses Gremium stärker der türkischen Presse in Deutschland widmen würde - auch das wäre eine Form der Integration. DANIEL BAX

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Daniel Bax ist Redakteur im Parlamentsbüro der taz. Er schreibt über Innen- und Außenpolitik in Deutschland, über die Linkspartei und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW). 2015 erschien sein Buch “Angst ums Abendland” über antimuslimischen Rassismus. 2018 veröffentlichte er das Buch “Die Volksverführer. Warum Rechtspopulisten so erfolgreich sind.”

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