Kommentar Gesundheitsfonds: Merkel gegen den Rest der Republik

Weder Patienten, noch Ärzte, weder Arbeitgeber, noch die Länder wollen ihn. Trotzdem wird der Gesundheitsfonds ab 2009 eingeführt. Weil die Kanzlerin es will.

Selten war ein so mächtiges Bündnis so ohnmächtig: Niemand will den Gesundheitsfonds - nicht die Patienten, nicht die Ärzte, nicht die Arbeitgeber, nicht die Länder, nicht die Experten und auch die meisten Parteipolitiker nicht. Trotzdem wird der Gesundheitsfonds ab 2009 eingeführt. Weil die Kanzlerin es will. Selbst die CSU scheint jetzt geneigt, ihren Widerstand aufzugeben. Meist sind die widerspenstigen Bayern nicht besonders beliebt jenseits ihrer Landesgrenzen, aber diesmal dürften es viele ihrer Gegner bedauern, falls das ewige Querulantentum aus München ausgerechnet beim Gesundheitsfonds eingestellt würde.

Die Kanzlerin konnte sich beim Gesundheitsfonds durchsetzen, weil er weitgehend folgenlos bleibt. Geschaffen wird lediglich überflüssige Bürokratie: Früher sammelten die Krankenkassen ihre Beiträge selbst ein - künftig kassieren sie für eine neue Zentralbehörde, die das Geld dann an die Kassen zurückverteilt. Was dieser Umweg soll, erschließt sich selbst Experten nicht; unter Gesundheitsökonomen ist unstrittig, dass sich ein fairer Wettbewerb zwischen den Kassen auch ohne dieses Monstrum organisieren ließe. Doch so überflüssig die neue Bürokratie auch ist, sie ist für das Gesamtkollektiv aller Versicherten immerhin nicht besonders teuer. Das bremst den Widerstand. Merkel konnte den Gesundheitsfonds durchsetzen, weil es sich um Symbolpolitik handelt.

Aber Symbolpolitik hat ihre Tücken. Gerade weil niemand versteht, was der Gesundheitsfonds soll, wird er zu einem generellen Symbol für Staatsversagen mutieren. Egal ob die Beiträge der Krankenkassen steigen, die Preise für Arzneimittel nach oben schießen oder Krankenhäuser schließen - stets wird es den Wählern extrem plausibel erscheinen, dass irgendwie dieser seltsame Gesundheitsfonds schuld sein muss.

Der Gesundheitsfonds dürfte daher nicht lange existieren, falls er 2009 kommen sollte. Längst ist absehbar, dass im Wahlkampf fast alle Parteien seine Abschaffung fordern werden. Zumal es fast nichts kostet, dieses Feindbild zu entsorgen. Das ist ja das Schöne an Symbolpolitik.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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