Debatte Google und Datenschutz II: Keine Angst vor Google

Suchmaschinen sind abhängig vom Vertrauen der Nutzer. Die Konkurrenz ist nur einen Mausklick entfernt. Daher werden sie sich hüten, die Daten ihrer Nutzer zu missbrauchen.

Es stimmt ja: Die Internet-Suchmaschine Google ist ein gigantischer Datensammler. Aber trotzdem ist Google nicht "der neue Feind", zu dem einige Kritiker das Unternehmen stilisieren.

Etwa drei Milliarden Suchanfragen beantwortet Google Monat für Monat - und jeden einzelnen Suchbegriff archiviert der Internetkonzern akribisch mit der Identifikationsnummer des PC, von dem die Anfrage stammt. Den Aufwand betreibt Google, aus folgendem Grund: Indem es die gesammelten Suchanfragen jedes PC zu einer individuellen Suchhistorie zusammenstellt, kann Google neben die Suchergebnisse Werbung einblenden, die sich an den individuellen Interessen ausrichtet. Mindestens 18 Monate bleibt ein Suchprotokoll auf den Servern des Internet-Konzerns gespeichert.

Angesichts dieser Datensammelwut von Google lassen Kritiker und Datenschützer nicht locker. Der häufigste Vorwurf lautet: "Google, der nimmersatte Datenkrake, bedroht die Privatsphäre". Der Grazer Informatikprofessor Hermann Maurer sieht gar die Menschheit bedroht. Aber bleiben wir auf dem Teppich. Verschwörungstheorien und "Big Brother"-Szenarien versperren eher den Blick auf die Mechanismen, nach denen Google und die digitale Ökonomie funktionieren.

Google hat sich innerhalb von zehn Jahren dank seiner Technologien und seiner funktionellen Produkte zum Herzstück einer globalen Wissensgesellschaft entwickelt, deren kostbarste Währung die Information ist. Längst haben wir uns beim "Googeln" daran gewöhnt, in der Kürze eines Augenblinzelns von Google die korrekte und maßgeschneiderte Antwort auf unsere Fragen zu bekommen - selbstverständlich kostenlos. Trotzdem verdient Google königlich dabei, allein 4,2 Milliarden US-Dollar Reingewinn im vergangenen Jahr.

Es ist ein Tauschgeschäft mit seinen Nutzern, mit dem Google heute den Betrieb des größten Computernetzwerks des Planeten sowie mittlerweile etwa zwei Dutzend Online-Dienste wie die Internet Suche, Google Earth und Google Mail finanziert. Der Kurs in diesem Tauschgeschäft ist eins zu eins: Für jede Information, die Google einem Nutzer gibt, bekommt es eine Information zurück. Das Motto dafür lautet: "Willst du von uns die Antwort auf deine Frage haben, dann musst du uns etwas über dich verraten. Und zwar genau so viel, damit wir Werbung verkaufen können, die für dich maßgeschneidert ist."

In diesem Tauschgeschäft spielt Vertrauen die zentrale Rolle. Google verspricht, nach bestem Wissen korrekte Suchergebnisse zu liefern. Im Gegenzug sammelt Google Nutzerdaten für das Anzeigengeschäft. Es hat kein Interesse, uns nach jeder Indiskretion, nach jedem persönlichen Detail auszuhorchen. Seine Server speichern lediglich, was wir bereit sind, der Suchmaschine mitzuteilen. Google will so viel von uns wissen, wie zum Verkauf von Anzeigen nötig ist. Nicht mehr und nicht weniger.

In diesem Geben und Nehmen ist Google geradewegs zu einem seriösen Umgang mit den Kundendaten verdammt. Der Verlust des Vertrauens seiner Kunden wäre der Google-GAU: Würden Fälle bekannt, in denen Google Schindluder mit den Daten seiner Kunden betreibt, ist der nächste, vertrauensvollere Google-Konkurrent nur einen Mausklick entfernt. Googles Firmenmaxime "Dont be evil" ist deshalb nicht nur ein Marketingspruch, sondern ist überlebenswichtig für das gesamte Geschäftsmodell des Konzerns. Die Welt der Internet-Ökonomie in althergebrachte Kategorien der Datenschützer einzuteilen - hier die rechtschaffenen Datenbewahrer, dort die skrupellosen Datensauger - greift deshalb auch zu kurz. Diese Welt ist komplexer geworden, und sie braucht ein neues Verständnis von Datenschutz, das dem Prinzip von Geben und Nehmen Rechnung trägt. Allein das Sammeln von Nutzerdaten lässt sich heute nicht mehr automatisch mit unlauteren Zielen eines Unternehmens gleichsetzen. Im Fall von Google helfen die Daten sogar, die Qualität der Dienste zu verbessern: Nur so kann Google seinen Kunden nervige Werbeformen ersparen und stattdessen mit relativ dezenten, kontextbezogenen Textanzeigen arbeiten statt wie einst - in der Vor-Google Ära - den Bildschirm mit wahllosen, bunten Werbebannern vollzuknallen. Die Vorzüge des Abschöpfens der Information haben wir Nutzer schnell erkannt: Wie selbstverständlich googeln wir heute, um Informationen über jemanden oder etwas zu finden, die auf anderen Wegen kaum oder nur deutlich schwieriger herauszufinden wären. Google ist heute für viele der Ratgeber vor Jobinterviews, Restaurantbesuchen, Rendezvous oder Urlaubsreisen. Noch nie waren so viele Informationen so leicht und in so großer Zahl verfügbar - aber dieses Wissen ist ambivalent, wie etwa im Fall des 17-jährigen Orey Steinmann. Er googelte sich aus Neugier selbst und fand dabei heraus, dass ihn sein angeblich verschollener Vater seit Jahren suchte. Die Mutter hatte Orey als kleines Kind von Kanada nach Kalifornien entführt, um ihn so dem Sorgerecht des Vaters zu entziehen. Oreys Mutter landete dafür im Gefängnis. Die Nutzer sind in dieser Informationsökonomie so gefordert wie nie zuvor, weil die Informationen im Google-Zeitalter kein Verfallsdatum mehr haben. Spuren, die wir selbst im Internet hinterlassen, können sich erst lange später gegen uns wenden - unabhängig davon, ob sie wahr sind oder nicht. Jede Unachtsamkeit, jede Flapsigkeit, jede Boshaftigkeit kann sich rächen. Sei es das Blog der böswilligen Exfreundin oder die frivolen Einträge bei StudiVZ. Das Internet vergisst nichts, und leistungsfähige Suchmaschinen können auch noch nach Jahren persönliche Peinlichkeiten dokumentieren. Den wenigsten dürfte dabei klar sein, dass mit den Informationstechnologien des Internet nach und nach auch geheimste Gedanken erfasst, gespeichert und verbreitet werden können. Umso dringlicher ist es, dass der verantwortungsvolle und souveräne Umgang mit den eigenen Daten zur Grundtugend jedes Internet-Nutzers wird. Jeder sollte sich in Zukunft zweimal überlegen, welche Informationen er/sie über sich im Netz preisgeben will.

Im Jahr 1967 beschrieb der Science-Fiction-Autor Piers Anthony in dem Roman "Chthon - Planet der Verdammten" eine Diktatur, in der das gesamte Wissen der Menschheit über Computer zugänglich ist. Die einzige Möglichkeit, unbemerkt von den Sicherheitsdiensten nach Informationen zu suchen, ist, in einem Museum für Bücher zu recherchieren, weil die Suche in Papiermedien keine Spuren hinterlässt. Einem Teil dieser Utopie sind wir heute schon sehr nahe gekommen, denn die riesige Computerdatenbank mit Billionen persönlichen Informationen existiert bereits. Der Streit um Google ist daher nur ein Symptom dafür, dass wir uns einer großen und neuen Herausforderung gegenübersehen: Wie können wir mit diesem gewaltigen Bestand an Informationen, der ein Spiegelbild all unserer Gedanken, Wünsche und Sorgen ist, verantwortungsvoll umgehen?

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