PER REFERENDUM HABEN DIE LETTEN VERSUCHT, IHRE REGIERUNG ZU KIPPEN
: Korruption ohne Ende

Lettland ist überhaupt keine Demokratie, sondern die Diktatur eines kleinen Zirkels einer politischen Elite. So begründete die ehemalige lettische EU-Kommissarin Sandra Kalniete ihr „Ja“ zu dem jetzt gescheiterten Verfassungsreferendum. Schon vor einem Jahr hatte sie sich mit einer flammenden Rede gegen die korrupte Justiz und die am Faden von Oligarchen baumelnden Politikermarionetten aus dem Amt verabschiedet.

Gereicht haben ihre und andere Appelle nicht dazu, nun eine ausreichende Zahl von LettInnen aus ihrer politischen Lethargie zu reißen und an die Wahlurnen zu bringen. Wirklich verwundern kann das nicht. Erst im letzten Herbst war es gelungen, eine breite Massenbewegung auf die Straße zu bringen und eine amtierende Regierung abzusägen. Das Ergebnis war ernüchternd: Auch deren Nachfolgerin hatte nichts Besseres zu tun, als die der Korruption Angeklagten in den eigenen Reihen zu schützen und den unbequem gewordenen Chef der Antikorruptionsbehörde aus dem Amt zu entlassen.

Der Versuch einer Bewegung von unten, das aufgrund schwerer Verstöße gegen das Parteienfinanzierungsgesetz illegal gewählte Parlament über ein Parlamentsauflösungsreferendum, wie es bislang nur Liechtenstein kennt, doch noch vorzeitig loszuwerden, muss schon deshalb als Verzweiflungsschritt angesehen werden. Ob dessen Misslingen nun in Resignation und noch größere Politikverdrossenheit mündet, hat Staatspräsident Valdis Zatlers in der Hand. Als einer der wenigen führenden politischen Amtsträger hatte er sich offen für das Referendum ausgesprochen. Auch er habe Bauchschmerzen angesichts einer so tief im Korruptionssumpf steckenden Regierung, hieß es. Hinter dieser übrigens stehen laut Meinungsumfragen mittlerweile kaum mehr als 10 Prozent der Bevölkerung. Zatlers hätte alle Befugnisse, die Auflösung des Parlaments zu verfügen. Die Hoffnung der LettInnen stützt sich nun auf einen Präsidenten, der vor seinem Amtsantritt selbst Teil des tief verwurzelten Schmiergeldsystems war.

REINHARD WOLFF