Kommentar Russland: Moskau sitzt am längeren Hebel

Reaktionen des Westens auf die russische Politik im Kaukasus könnten zum Problem für Nato-Truppen in Afghanistan werden.

Mit der Anerkennung Abchasiens und Südossetiens als unabhängige Staaten hat Russland eindeutig völkerrechtswidrig gehandelt. Dies gilt, selbst wenn georgische Truppen den Krieg Anfang August begonnen haben und trotz der von ihnen verübten Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht. Doch die Kritik an Moskaus Bruch des Völkerrechts klingt scheinheilig aus dem Mund deutscher und anderer westlicher PolitikerInnen, die die von den USA und der EU vollzogene Anerkennung des Kosovo, den Luftkrieg der Nato gegen Serbien 1999 sowie den angloamerikanischen Irakkrieg unterstützt haben.

Nun macht die westliche Missachtung des Völkerrechts das russische Vorgehen nicht akzeptabler. Aber es macht die Kritik von USA und EU unglaubwürdig - und schränkt ihre Wirkung ein. Und zwar nicht nur in Moskau, sondern auch in zahlreichen anderen Hauptstädten. Deshalb gibt es leider auch keine Chance für eine Resolution der UNO-Generalversammlung, in der Russland verurteilt würde. Umgekehrt wird Moskau unter den 192 Staaten auch keine Mehrheit für eine Aufnahme Abchasiens und Südossetiens in die UN organisieren können - ähnlich wie Brüssel und Washington, die nur 45 Staaten dazu bewegten, die Unabhängigkeit des Kosovo zu unterstützen.

So unglaubwürdig die Kritik, so hilflos wirken die jetzt in westlichen Hauptstädten erwogenen Maßnahmen, um die Beziehungen mit Russland wieder zu verändern. Denn fast überall sitzt Moskau am längeren Hebel. Auch für die Kooperation zwischen Russland und der Nato. Für die Allianz sind derzeit die von der russischen Regierung gewährten Transitrechte durch Russland zur Versorgung der Nato-Truppen in Afghanistan der bei weitem wichtigste Bestandteil dieser Kooperation. Bislang hat Moskau diese Transitrechte nicht in Frage gestellt. Das könnte sich allerdings ändern, sollten USA und Nato in Reaktion auf Russlands Verhalten auf dem Kaukasus die Aufnahme Georgiens und der Ukraine in die Militärallianz verstärken und ihre militärischen Aktivitäten im Schwarzen Meer weiter verstärken. ANDREAS ZUMACH

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Journalist und Buchautor, Experte für internationale Beziehungen und Konflikte. Von 1988-2020 UNO- und Schweizkorrespondent der taz mit Sitz in Genf und freier Korrespondent für andere Printmedien, Rundfunk-und Fernsehanstalten in Deutschland, Schweiz,Österreich, USA und Großbritannien; zudem tätig als Vortragsreferent, Diskutant und Moderator zu zahlreichen Themen der internationalen Politik, insbesondere:UNO, Menschenrechte, Rüstung und Abrüstung, Kriege, Nahost, Ressourcenkonflikte (Energie, Wasser, Nahrung), Afghanistan... BÜCHER: Reform oder Blockade-welche Zukunft hat die UNO? (2021); Globales Chaos-Machtlose UNO-ist die Weltorganisation überflüssig geworden? (2015), Die kommenden Kriege (2005), Irak-Chronik eines gewollten Krieges (2003); Vereinte Nationen (1995) AUSZEICHNUNGEN: 2009: Göttinger Friedenspreis 2004:Kant-Weltbürgerpreis, Freiburg 1997:Goldpreis "Excellenz im Journalismus" des Verbandes der UNO-KorrespondentInnen in New York (UNCA) für DLF-Radiofeature "UNO: Reform oder Kollaps" geb. 1954 in Köln, nach zweijährigem Zivildienst in den USA 1975-1979 Studium der Sozialarbeit, Volkswirtschaft und Journalismus in Köln; 1979-81 Redakteur bei der 1978 parallel zur taz gegründeten Westberliner Zeitung "Die Neue"; 1981-87 Referent bei der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, verantwortlich für die Organisation der Bonner Friedensdemonstrationen 1981 ff.; Sprecher des Bonner Koordinationsausschuss der bundesweiten Friedensbewegung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.