Kommentar Dresdner Bank verkauft: Chinesen sind keine Gefahr

Die Angst vor dem Ausverkauf der deutschen Banken ist nicht nachvollziehbar. Sowohl bei der Allianz als auch bei der Commerzbank sind deutsche Aktionäre in der Minderheit.

Alarm, die Chinesen kommen! Für viele gleicht es einem Tabubruch, dass die staatliche China Development Bank die Dresdner Bank kaufen will. Eine deutsche Bank muss doch deutsch bleiben! Und so erscheint es momentan als wahrscheinlich, dass die Commerzbank die Dresdner Bank erhält - obwohl die Chinesen das bessere Angebot vorgelegt haben.

Dieser Heimatstolz ist seltsam. Dabei überrascht nicht nur, dass ausgerechnet Banken zu einer Art deutschem Kulturgut erhoben werden - noch verrückter ist, dass offenbar geglaubt wird, die deutschen Banken seien im Besitz von Deutschen. Es wird so getan, als wäre die Dresdner Bank ein trautes Familienunternehmen, dessen Besitzer gleich um die Ecke wohnen und die deswegen die Interessen der ortsansässigen Kunden stets wohlwollend im Blick behalten. Während die Chinesen im fernen Asien … man weiß ja nicht … Tatsächlich jedoch gehört die Dresdner Bank längst überwiegend Ausländern; sie halten am Mutterkonzern Allianz 71 Prozent des Grundkapitals. Genauso ist es übrigens bei der Commerzbank; auch dort sind die deutschen Aktionäre in der Minderheit.

Es ist eine Form von Rassismus, "gute" und "schlechte" Ausländer zu unterscheiden. Stattdessen sind alle Investoren letztlich an nur einer Kennzahl interessiert: der Rendite. Genau diese Triebkraft wird auch dafür sorgen, dass die Fusionen und Stellenstreichungen bei den deutschen Banken weitergehen. Der geplante Verkauf der Dresdner Bank ist nicht der letzte - als Nächstes stehen die Postbank und einige Landesbanken an.

Dieser Trend zum Jobabbau ist nicht zu stoppen - aber er würde sich verlangsamen, wenn die Chinesen die Dresdner Bank übernehmen dürften. Dann könnten deren Filialen nicht mit jenen der Commerzbank zusammengelegt werden. Es handelt sich um eine dieser seltenen Win-win-Situationen: Aktionäre und Arbeitnehmer würden profitieren, wenn die Chinesen die Dresdner Bank erhielten. Aber die Wirtschaftswissenschaft weiß ja inzwischen, dass der Homo oeconomicus ein irrationales Wesen ist.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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