Kommentar Listenplatz für Özdemir: Der Wille zur Macht

Cem Özdemir möchte einen Listenplatz für den Bundestag ergattern. Doch dafür einfach nur die Machtkarte als designierter Parteivorsitzender auszuspielen, reicht nicht.

Wenn ein Parteivorsitzender in den Bundestag will, dann hat das gemeine Delegiertenfußvolk zu gehorchen und ihm einen sicheren Listenplatz zu gewähren. Sollte sich Cem Özdemir auf dieses ungeschriebene und gleichfalls undemokratische Gesetz berufen, wäre es von den baden-württembergischen Grünen angebracht, ihn glatt durchfallen zu lassen. Nur scheinbar haben sie auf ihrer Delegiertenversammlung an diesem Samstag darüber abzustimmen, auf welchem der sicheren Listenplätze sie ihren designierten Parteivorsitzenden ins Parlament durchwinken. Die eigentliche Abstimmung lautet: Wie soll und darf der künftige Vorsitzende die Partei führen?

Es wäre keine Schande, würde Cem Özdemir einen seiner Gegenkandidaten auf der Liste verdrängen. Allerdings nur dann, wenn er klare und ehrliche Alternativen aufzeigt. Dann dürfte er sich nicht, wie bereits getan, auf plumpe Worthülsen wie "Koordination" und "Reibungsverluste" zurückziehen, um seinen klaren Willen zur Machtkonzentration zu kaschieren.

Warum eine Grüne Partei neben Claudia Roth auf einmal beide Vorsitzenden im Parlament braucht, ist erklärungsbedürftig. Deshalb müsste Özdemir ein klares Konzept aufzeigen, wie er die Partei zu führen gedenkt. Will er mehr Mitbestimmung, kann er Macht delegieren? Oder will er eine CSUisierung? Sollte Cem Özdemir dagegen auf die Machtkarte setzen und gewinnen - es wäre ein ziemlich ungrüner Start für einen Vorsitzenden, der in Ermangelung von Gegenkandidaten nicht einmal richtig gewählt werden muss.

Wenn er sich nicht plump auf seinen Status als künftiger Parteivorsitzender beruft, wird es ein hartes Duell gegen seine Konkurrenten, die allesamt gute Gründe angeben können, warum sie ins Parlament gehören. Sollte Özdemir seinen Führungsstil erläutern und gleichzeitig gegen sie gewinnen, hat er einen guten Start hingelegt. Sollte er dabei verlieren, hat er ebenfalls einen guten, weil ehrlichen Anfang gemacht. Die denkbar schlechteste Variante wäre: die Machtkarte spielen und den Listenplatz blind durchboxen.

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Beschäftigte sich für die taz mit der Corona-Pandemie und Impfstoffen, Klimawandel und Energie- und Finanzmärkten. Seit Mitte 2021 nicht mehr bei der taz.

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