DIE OPFER DES FRANCO-REGIMES AUF FRIEDHÖFE ZU ÜBERFÜHREN IST HEIKEL
: Streit über Grab des Dichters García Lorca

Spanien arbeitet seine Geschichte auf. Der bekannte Richter Baltasar Garzón ermittelt in Sachen politischer Säuberung in den Jahren 1936 bis 1952. Mindestens 114.266 Menschen fielen den Schergen des Diktators Franco zum Opfer. Auch wenn die Verantwortlichen zum Großteil längst tot sind, ist Garzóns Untersuchung dieser „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ wichtig. Schon viel zu lange warten die Hinterbliebenen auf Gerechtigkeit.

Doch die Aufarbeitung der Geschichte ist schwierig. Während die einen hoffen, endlich die im Lande verstreuten Massengräber zu öffnen und die Ermordeten auf einen Friedhof zu überführen, ist anderen bei diesem Gedanken nicht wohl zumute. Allen voran verlangt die Familie des spanischen Nationaldichters Federico García Lorca den Erhalt des Massengrabes, in dem Lorca zusammen mit drei weiteren Opfern einer standrechtlichen Erschießung liegt. Seit vielen Jahren ist der Ort dieses Verbrechens eine Gedenkstätte. Ein Park wurde angelegt. Ein prunkvolles Grab sei eine Verfälschung der Geschichte, sagt die Familie Lorca.

Das Argument hat viel für sich. Vielerorts ist bekannt, wo sich die Massengräber befinden. Die spanischen Repressionsopfer – Linkspolitiker, Gewerkschafter, Republikaner, Lehrer, Künstler – sind nicht einfach verschwunden, wie dies in vielen lateinamerikanischen Diktaturen der Fall war. In den Dörfern wissen die Menschen, wo die Gegner des Regimes vergraben wurden. In so manchem Straßengraben tauchen pünktlich zum Todestag oder an Allerheiligen Blumengebinde auf, niedergelegt von den Hinterbliebenen.

Um das Gedenken an die schrecklichen Jahre des Bürgerkrieges und der Diktatur zu wahren, wäre eine weitaus symbolträchtigere Lösung denkbar. Anstatt die Überreste der Opfer in Familiengräber zu überführen, könnte das Massengrab von García Lorca als Beispiel dienen. Warum ergreifen die Behörden nicht die Initiative, um überall, wo sich Gräber befinden, Gedenksteine zu erstellen und Parks anzulegen? Dies würde die grausame Geschichte wesentlich greifbarer machen. REINER WANDLER