URTEIL ZU 1-EURO-JOBBERN ZEIGT WANDEL IN DER ARBEITSFÖRDERUNG
: Ehrenamt vom Arbeitsamt

Wer wissen will, wie wandelbar die Maßstäbe für Gerechtigkeit sind, der muss sich die Entwicklung bei der Arbeitsförderung ansehen. Genauer gesagt: bei den 1-Euro-Jobs. Das Bundessozialgericht in Kassel hat am Donnerstag ein Urteil gesprochen: Die Ergänzung von 1,00 bis 1,50 Euro pro Stunde zum Hartz-IV-Satz ist kein Arbeitsentgelt, sondern eine „Mehraufwandsentschädigung“, also eine Kompensation für Extraausgaben, die der Betroffene hat, weil er die Tätigkeit ausübt. Deswegen bekommt der 1-Euro-Jobber von der Arbeitsagentur auch keine zusätzliche Erstattung von Fahrtkosten – denn genau die soll er ja von dem kargen Zusatzlohn bestreiten. Das Urteil zeigt, wie sehr sich die Arbeitsförderung verändert hat.

Zur Erinnerung: In den 80er-Jahren wurden Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) tariflich bezahlt, entsprechend den vergleichbaren Tätigkeiten im öffentlichen Dienst. Damals gab es Pressekonferenzen, in denen sich die Gewerkschaft ÖTV über relativ geringfügige finanzielle Schlechterstellungen der ABMler beklagte. Eine solche Anspruchshaltung gegenüber den Arbeitsämtern würde heute niemand mehr ernsthaft vertreten – einfach, weil sich die Bedingungen für die Beschäftigten der Wirtschaft deutlich verschärft haben. Und das Gerechtigkeitsempfinden gegenüber Sozialleistungen speist sich immer aus den Entwicklungen in der Ökonomie.

Statt der alten ABM gibt es heute die 1-Euro-Jobs, sogenannte Arbeitsgelegenheiten mit „Mehraufwandsentschädigung“. Das ist eine interessante Begrifflichkeit. „Aufwandsentschädigung“ – so heißen nämlich auch die finanziellen Kompensationen, die Ehrenamtliche von Wohlfahrtsorganisationen bekommen als Ausgleich für Fahrtkosten und Arbeitsmittel. Überspitzt gesagt: Die Jobcenter haben an Hartz-IV-Empfänger neben der „Stütze“ nur noch Ehrenämter zu vergeben. Wäre es da nicht besser, einen „richtigen“, wenn auch schlecht bezahlten Job anzunehmen? Ebendieser Effekt ist intendiert. Die Jobcenter, sagt das Bundessozialgericht, sind keine Arbeitgeber – entgegen den alten ABM-Illusionen. BARBARA DRIBBUSCH